Egon Riss bis Gustav Schläfrig

Architekten des "Roten Wien"

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Riss, Egon
3.7.1901, Lipnik (Galizien/Polen) – 17.3.1964 Colinton (Schottland)
Riss studierte ab 1919 an der TH Wien und arbeitete danach in verschiedenen Architekturbüros. Mit seinem langjährigen Partner Fritz Judtmann errichtete Riss eine Reihe von Bauwerken im Stil der Neuen Sachlichkeit, darunter das Amtsgebäude der Arbeiterkrankenkasse im 3. Bezirk, den TBC-Pavillon in Lainz, den überaus modernen Gemeindebau 5., Brandmayergasse 24 und das Porrhaus am Karlsplatz. Wegen seiner "jüdischen Abstammung" musste Riss im Frühjahr 1938 das Land verlassen und ging nach England ins Exil, wo er v.a. als Industriearchitekt tätig war.

Rosenauer, Michael
21.7.1884, Wels (OÖ) – 11.4.1971, London
Der Sohn eines oberösterreichischen Baumeisters studierte an der TH Graz und anschließend an der TH Wien und errichtete noch vor dem Ersten Weltkrieg seine ersten Wohnhäuser. Für die Gemeinde Wien plante Rosenauer den Schimonhof sowie den nicht benannten Gemeindebau 15., Neusserplatz 1.

Dorotheum_Favoriten_Bauer

Zu seinen interessantesten Bauwerken zählen das Dorotheum Favoriten sowie das ehemalige Dorotheumsgebäude Fünfhaus in der Schanzstraße 14. Rosenauer, der 1929 eine wohlhabende Engländerin heiratete, war ab diesem Zeitpunkt vorwiegend in England, aber auch in den USA und Kanada tätig und unterhielt sogar ein Büro in Paris. Von 1940 an arbeitete er als Berater für das Wohnbauprogramm der US-Regierung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte Rosenauer eine Zeit lang in den USA, wo er u.a. an der University of Pennsylvania unterrichtete.

In den 1950er Jahren kehrte Rosenauer nach London zurück, wo er vorwiegend im Hotelbau – unter Kollegen nannte man ihn "Mr. Hotel" (Weihsmann, 2005) – tätig war.

Rothmüller, Johann
1.7.1882, Wien – 3.10.1965, Wien
Der Architekt und Baumeister Rothmüller führte bereits vor dem Ersten Weltkrieg soziale Wohnbauten im Auftrag der Gemeinde Wien aus, war an der Errichtung der neuen Feuerwache Mariahilf beteiligt und errichtete noch vor Kriegsbeginn das Gebäude der Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterstützungskasse, 6., Mollardgasse 8. Rothmüller, der auch als Bühnenarchitekt für Theater und Film tätig war (z.B. für "Sodom und Gomorrha", 1922) entwarf für das kommunale Wohnbauprogramm der Gemeinde Wien den Roman-Felleis-Hof und war an der Errichtung des Goethehofs beteiligt.

Rupprecht, Georg
1.4.1891, Wien – 2.7.1940, Wien

Franz_Silberer_Hof_Bauer


Rupprecht studierte ab 1909 an der TH Wien und schloss sein Studium kriegsbedingt erst 1918 ab.

Nach Kriegsende war er kurzzeitig Leiter der Abteilung für die zivile Verwertung von Kriegsbauten.

Von Rupprecht, der ab 1923 als selbständiger Architekt arbeitete und u.a. ein Pionier von Schnellimbisslokalen nach amerikanischem Vorbild war, stammen insgesamt vier relativ uneinheitliche Beiträge zum kommunalen Wohnbau in Wien: Der Franz-Silberer-Hof und der Leuthnerhof sowie die kleineren Bauten 7., Neustiftgasse 143 und 10., Hasengasse 35-37.

Schacherl, Franz
28.11.1895, Wien – 1943, Luanda (Angola)
Der Sohn eines jüdischen Arztes studierte an der TH Wien, schloss sein Studium kurz nach Kriegsende ab, engagierte sich in der bayerischen "Räterepublik" und begann nach seiner Rückkehr nach Wien als Lehrer und Journalist zu arbeiten. Nach seiner Anstellung im neu gegründeten Siedlungsamt kam er mit Adolf LoosMargarete Lihotzky und seinem späteren langjährigen Partner Franz Schuster in Kontakt. Mit Adolf Loos, George Karau und Franz Schuster arbeitete Schacherl an der Kriegerheimstätte Hirschstetten, mit Franz Schuster entstanden die Siedlungen Am Wasserturm, Süd-Ost und Neustrassäcker.

Wehlistrasse_305

In Erweiterung der Siedlung Süd-Ost entwarf Schacherl auch die Siedlung Laaerberg-Straße und die Gemeindebauten Laaer-Berg-Straße 166-168, 172 und 202. Für das kommunale Wohnbauprogramm des "Roten Wien" entwarf Schacherl, der auch Redakteur des sozialistischen Baujournals "Der Aufbau" war, den Karl-Volkert-Hof (ebenfalls mit Franz Schuster) sowie den Franz-Mair-Hof und den Gemeindebau 2., Wehlistraße 305.

Nach dem "Anschluss" floh Schacherl nach Paris, von wo er schließlich nach Angola gelangte. Hier starb Franz Schacherl an den Folgen einer missglückten Operation.

Schartelmüller, Karl
13.5.1884, Wien – 30.10.1947, Wien
Schartelmüller studierte an der TH Wien, war Assistent von Leopold Simony und Mitarbeiter Hans Prutschers. 1913 trat er in den Dienst der Gemeinde Wien ein und war nach Kriegsende als federführender Architekt im Siedlungsamt für die Planung einiger der größten Siedlungsprojekte im "Roten Wien" verantwortlich (Siedlung Am Freihof mit den kleineren Siedlungen Kagran und Plankenäcker, heute die größte Genossenschaftssiedlung Wiens, sowie die große Siedlung Lockerwiese). Schartelmüller, der gute Beziehungen zu hochrangigen Nationalsozialisten unterhielt, konnte seine Position im Rathaus nach dem "Anschluss" zunächst beibehalten und baute die Siedlung Lockerwiese 1938 aus. 1942 wurde er nach Kritik am Regime – ausgelöst durch den Tod seines Sohnes – zwar zwangspensioniert, arbeitete aber im Stab des Chefplaners für Wien weiter (u.a. an Plänen zur Errichtung einer U-Bahn). Nach Kriegsende wurde Schartelmüller wieder vom Stadtbauamt angestellt.

Schläfrig, Gustav
31.5.1881, Mistelbach (NÖ) – 23.4.1950, Wien
Der Sohn eines jüdischen Landarztes studierte an der TH Wien und arbeitete eine Zeit lang in den Büros von Ferstel und Simony.

Wohlmutstrasse14_16

Gemeinsam mit seinem Partner Hanns Reiser errichtete Schläfrig eine Reihe von Beamten- und Angestelltensiedlungen in den Industriezentren der Steiermark, Ober- und Niederösterreichs.

Für das "Rote Wien" entwarfen Schläfrig und Reiser die noch stark an die einfachen Arbeiterwohnbauten der Vorkriegszeit erinnernde Anlage 21., Mitterhofergasse 1-15, den daran angrenzenden Franz-Bretschneider-Hof und den Gemeindebau 2., Wohlmutstraße 14-16.

Ab 1934 war Schläfrig praktisch ohne Aufträge. Während sein Bruder, der Architekt Friedrich Schläfrig, mit seiner Familie emigrierte, überlebte Gustav Schläfrig mit seiner Ehefrau die NS-Zeit in Österreich. Nach Kriegsende war Schläfrig – allerdings nur in geringem Ausmaß – am Wiederaufbau Wiens beteiligt.

Literatur: Helmut Weihsmann, In Wien erbaut, 2005; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.