5. April 1874

 

Der erste Arbeiterverein Österreichs wird 1865 in Wiener Neustadt, und nicht in Wien gegründet. Dies war kein Zufall, denn in der mittelgroßen Industriestadt war das Verhältnis der Zahl und der Stärke des Industrieproletariats zum Bürgertum ein völlig anderes, als in der Haupt- und Residenzstadt Wien. Dies war auch der Grund, warum wiederum in Wiener Neustadt Anfang des Jahres 1870 die Gleichheit als erste Arbeiterzeitung entsteht.
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Am 5. April 1874 kommt es schließlich in Neudörfl, nur einen Kilometer von Wiener Neustadt entfernt, zum "geheimen" Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie, bei dem 74 Delegierte ein erstes sozialdemokratisches Programm auf den Grundlagen der Ideen von Karl Marx und Friedrich Engels  verabschieden.

Gründer und erster Obmann dieser Sozialdemokratischen Partei ist der Historiker und Bibliothekar Hippolyt Tauschinsky.
Dieser Gründung einer ersten Sozialdemokratischen Partei folgt allerdings ein Jahrzehnt des Niedergangs und der massiven inneren Auseinandersetzungen. Letztere entzünden sich v.a. an der Frage der geeigneten Strategie der jungen Arbeiterbewegung, angesichts der wachsenden Verelendung der Arbeiter durch die Wirtschaftskrise und der verschärften Verfolgung und brutalen Unterdrückung aller Proteste durch die Behörden.

Die "gemäßigten" Kräfte um Heinrich Oberwinder, die v.a. in Wien und in den Gewerkschaften verankert sind, vertreten die Ansicht, die Arbeiterbewegung müsse sich als Teil der bürgerlich-demokratischen Bewegung verstehen, und suchen der Verfolgung durch die Behörden durch die strikte Einhaltung der überaus restriktiven legalen Rahmenbedingungen zu entgehen; die "radikale" Strömung um Andreas Scheu, die v.a. in den Arbeiterbildungsvereinen, in Wiener Neustadt und in der Steiermark verankert ist, betont hingegen die Notwendigkeit einer eigenständigen Politik der Arbeiterbewegung und tritt bereits damals für das, den Zusammenhalt der Monarchie massiv gefährdende, Selbstbestimmungsrecht der Völker ein, was letztendlich zur Spaltung der Bewegung führt.

Zunächst setzt sich Scheu politisch durch. Seine in Wiener Neustadt herausgegebene Gleichheit wird zum Organ der neuen Sozialdemokratischen Partei in Österreich, deren Führung in Graz eingerichtet wird.

Die Partei kann sich jedoch nicht richtig entwickeln, weil die Arbeiterbewegung infolge der seit 1873 grassierenden Wirtschaftskrise stark geschwächt ist.

Zusätzlich verstärkt sich innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung der Einfluss der Anarchisten, denen jede Form legaler Organisationsarbeit vergeblich erscheint und die "individuelle Gewalt" bejahen. Es kommt zu einigen Attentaten und Bombenanschlägen, die das Regime als Vorwand benutzt, um noch härter gegen die gesamte Arbeiterbewegung vorzugehen.

Verhaftungen, Abschiebungen und Abwanderungen schwächen schließlich die "Radikalen" derart, dass die "Gemäßigten" ab etwa 1887 die Vorherrschaft innerhalb der Bewegung gewinnen können.

Die Fraktionskämpfe werden schließlich am Einigungsparteitag in Hainfeld beendet.