Der Parteitag, der vom 30. Dezember 1888 bis zum 1. Januar 1889 im niederösterreichischen Hainfeld stattfand, gilt als die eigentliche Geburtsstunde der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs.
Es war in erster Linie das Verdienst Victor Adlers, der mit seinen Enthüllungsreportagen über das Elend der Wienerberger Ziegelarbeiter in der Zeitschrift Gleichheit zum strahlenden "Helden" der Wiener Arbeiter avanciert und der selbst von den Fraktionskämpfen innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung weitgehend unbelastet war, zwischen den verfeindeten Gruppierungen der "Gemäßigten" und "Radikalen" zu vermitteln und diese endlich zu versöhnen.
Zum Hainfelder Parteitag waren 110 Delegierte aus Wien und allen Kronländern – mit Ausnahme Dalmatiens – geladen worden; die 73 erschienenen, stimmberechtigten Delegierten beschlossen hier die Gründung einer neuen sozialdemokratischen Partei und verabschiedeten die von Victor Adler verfasste und von Karl Kautsky gebilligte "Prinzipien-Erklärung".
Diese richtete sich gegen den kapitalistischen Besitz an Produktionsmitteln und gegen die Habsburgermonarchie als Klassenstaat, der ausschließlich die Interessen der Kapitalisten vertritt:
Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich erstrebt für das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes die Beseitigung der ökonomischen Abhängigkeit, die Befreiung der politischen Rechtlosigkeit und die Erhebung aus der geistigen Verkümmerung.
Die Ursache dieses unwürdigen Zustandes ist nicht in einzelnen politischen Einrichtungen zu suchen, sondern in der das Wesen des ganzen Gesellschaftszustandes bedingenden und beherrschenden Thatsache, daß die Arbeitsmittel in den Händen einzelner Besitzender monopolisirt sind.
Die Besitzer der Arbeitskraft, die Arbeiterklasse, wird dadurch zum Sklaven der Besitzer der Arbeitsmittel, der Kapitalistenklasse, deren politische und ökonomische Herrschaft im heutigen Staate Ausdruck findet. Der Einzelbesitz an Produktionsmittel, wie er also politisch den Klassenstaat bedeutet, bedeutet ökonomisch steigende Massenarmuth und wachsende Verelendung immer breiterer Volksschichten.
Ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes – ganz soweit waren die Genossen allerdings selbst noch nicht. Der einzigen weiblichen Delegierten, Anna Altmann (1852–1937) aus Polzental in Böhmen, wurde die Teilnahme am Parteitag verweigert.
Altmann erinnerte sich später: Im Jahre 1889 wurde der Parteitag nach Hainfeld einberufen, und auch die Polzentaler Genossen wurden davon in Kenntnis gesetzt, mit der Aufforderung, zu delegieren. Ich wurde als Delegierte gewählt und erstattete nach Wien die Meldung. Die Wiener Genossen schrieben damals, dass sie einen männlichen Delegierten wünschen, die Frauen wären noch nicht so weit...
Ihr Platz blieb dennoch unbesetzt, da der an ihrer Stelle delegierte Mann aus Angst vor behördlichen Schikanen, vor Verhaftung und Ausweisung es nicht wagte, das Mandat anzunehmen...
Der Hainfelder Parteitag markierte jedenfalls das Ende der heftigen Auseinandersetzungen, die zur Spaltung der österreichischen Arbeiterbewegung in feindliche Fraktionen geführt hatten. Die geeinte Sozialdemokratie nach Hainfeld verstand sich als marxistische Partei, wobei die marxistische Theorie entsprechend den spezifischen Verhältnissen des Landes adaptiert werden sollte.
Der Parteitag gab der gesamten Arbeiterbewegung neues Selbstbewusstsein. Im Jahr 1890 entstanden allein in Wien 30 neue Arbeitervereine und die Mitgliederzahl der sozialdemokratischen Organisationen wuchs von 15.000 auf 50.000.
Daran konnte auch die staatliche Repression nichts ändern, als etwa die "Gleichheit" wegen der Unterstützung eines Streiks der Pferdetramwaykutscher in Wien 1889 verboten und ihr Herausgeber Victor Adler als "Anarchist" zu vier Monaten Kerker verurteilt wurde.
Die Arbeiterbewegung nahm nun auch den Kampf um die Arbeitszeitverkürzung auf. Zum Symbol dieses Kampfes wurde der 1. Mai, der als Feiertag der Arbeiterschaft erstmals 1890 begangen wurde.
Literatur: Heinz Fischer, Die Zukunft der SPÖ – Hundert Jahre nach dem Hainfelder Parteitag, 1988; Otto Kerry, Signale – ein Jahrhundert Dichtung und Geschichte der Arbeiterbewegung Österreichs, 1968; Franz Kreuzer, Was wir ersehnen von der Zukunft fernen. Der Ursprung der österreichischen Arbeiterbewegung, 1988; Herbert Steiner, Die Arbeiterbewegung Österreichs 1867–1889, 1964.