Favoriten

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Im Jahr 1874 wurden die außerhalb des Linienwalls gelegenen Teile der Bezirke 4 und 5 abgetrennt und zu einem eigenen Bezirk erhoben. Benannt wurde der neue 10. Bezirk, der keinen historisch gewachsenen Ortskern besaß, nach dem – allerdings im 4. Bezirk gelegenen – Schloss Favorita, dem heutigen Theresianum.

1890 wurde deWienerberger_Tonwarenfabrik_1873_SPOE_Buecherr Bezirk durch Teile von Inzersdorf, Ober- und Unterlaa bis zur Verbindungsbahn erweitert; 1954 kamen noch Rothneusiedl und die Ortskerne von Oberlaa und Unterlaa hinzu. Bis 1938 gehörte auch das Arsenal zu Favoriten. Der 10. Gemeindebezirk umfasst heute 31,8 km2 und ist mit über 207.000 Einwohnern (2020) der mit Abstand bevölkerungsstärkste Wiener Bezirk.

Die Entwicklung des heutigen Favoriten zum führenden Arbeiter- und Industriebezirk Wiens begann bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als durch die Wienerberger Ziegelfabriken und den Bau der Südbahn erstmals große Massen von Arbeitern am Südrand Wiens konzentriert wurden. Nach 1867 erlebte der noch nicht selbständige Bezirk durch die einsetzende Wirtschaftskonjunktur einen regelrechten Industrieansiedlungsboom.

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Neben den zahlreichen Ziegelöfen zählten die Tschinkelsche Feigenkaffeefabrik, die Elsingersche Teerfabrik und die Wagenmannsche Chemiefabrik zu den frühesten Industriebetrieben vor der "Favoriten-Linie".

Bald siedelten sich weitere Betriebe, besonders der Metallverarbeitung und des Maschinenbaus, in Favoriten an. Baugrund war ausreichend vorhanden und dementsprechend billig, und auch die Mieten und Lebenshaltungskosten für die Arbeiter waren außerhalb des Linienwalls, an dem die "Verzehrsteuer" eingehoben wurde, beträchtlich niedriger.

Unzählige billige Zinskasernen mit Zimmer-Küche-Wohnungen wurden nun aus dem Boden gestampft; um die Baugründe wirklich maximal auszunützen, wurden die Parzellen restlos verbaut – Grünflächen oder Lichthöfe waren keine vorgesehen.

Favoriten lag zur Jahrhundertwende an letzter Stelle in der Lebensqualität der Bevölkerung. Der Bezirk wies die kleinsten Wohnungen auf, war aber führend bei der Wohnungsbelegung; in über 22% der Wohnungen wurden Betten stundenweise an sogenannte Bettgeher vermietet.

Die Sterblichkeitsrate war dreimal so hoch wie im 1. Bezirk, die Säuglingssterblichkeit sogar viermal so hoch.

Durch den großen Arbeitskräftebedarf war Favoriten wie kein anderer Wiener Bezirk von Zuwanderern, vorwiegend aus Böhmen, geprägt und entwickelte sich rasch zu einer der wichtigsten Bastionen der Wiener Arbeiterbewegung. 1919 war Favoriten bereits der bevölkerungsreichste Bezirk Wiens.

Wichtige öffentliche Gebäude und Einrichtungen in Favoriten sind der Hauptbahnhof, das Kaiser-Franz-Joseph-Spital und die Pädagogische Hochschule Wien.

Favoriten verfügt aber auch über bedeutende Freizeit- und Sporteinrichtungen, wie das Amalienbad (1926), das Sommerbad Laaerberg (1959), das Horrstadion (1982), und über großflächige Freizeit- und Erholungsgebiete, wie den Erholungspark Laaer Berg (WIG-Gelände 1974) mit dem Kurzentrum Oberlaa (1974), den Laaer Wald mit dem Böhmischen Prater, oder das Naturschutzgebiet Wienerberg-Ost.

Als der Arbeiterbezirk par excellence besitzt Favoriten auch einige der größten und bedeutendsten Siedlungen und Wohnhausanlagen der Gemeinde Wien.

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Genannt seien hier der Victor-Adler-Hof (1923/24), der Pernerstorferhof (1925/26), der Jean-Jaurès-Hof (1925–1927), der George-Washington-Hof (1927–1930), die Per-Albin-Hansson-Siedlung-West (1947–1955), -Nord (1964–1971) und -Ost sowie das Hanssonzentrum (1966–1977), der Karl-Wrba-Hof (1979–1983) und das Stadtentwicklungsgebiet Wienerberg-Ost.

Unter den zahlreichen Industrie-, Gewerbe- und Handelsbetrieben des Bezirks seien u.a. die Brotfabrik der Ankerbrot AG, das Philips-Haus, die Wienerberger Baustoffindustrie AG und der Business Park Vienna an der Wienerbergstraße erwähnt.

In der Frühzeit der Favoritner Arbeiterbewegung entfalteten der Gewerkverein der Eisen- und Metallarbeiter (Färbers Gasthaus, Humboldtgasse 28), die Union der Wiener Metallarbeiter (Gasthaus "Zur Zentralbahn", Landgutgasse) und die Gewerkschaft der Sattler (Kepplergasse 2) eine regelmäßige Tätigkeit.

1882 wurden die ersten Filialen der Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Invalidenkasse in Favoriten eingerichtet.

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1890 wurde in den "Rosensälen" in der heutigen Favoritenstraße der Arbeiterbildungsverein "Bildungsquelle" gegründet, der zunächst am Humboldtplatz, später in einem Kellerlokal in der Alxingergasse 18 unterkam. 1891 entstand aus der Gesangssektion der "Bildungsquelle" der Arbeitersängerbund Favoriten.

Ebenfalls seit 1891 bestand auch ein Bildungsverein der Ziegelarbeiter. 1895 kam es durch die von Victor Adler aufgezeigten Missstände in den Ziegelfabriken zu einem großen Ziegelarbeiterstreik, an dem sich mehr als 10.000 Arbeiter beteiligten.

Der Streik erfasste bald an die dreißig Ziegelwerke und endete schließlich mit einem Sieg der Arbeiter: Die Löhne wurden erhöht, die Einhaltung des 11-Stunden-Tages und der Sonntagsruhe zugesichert. 1905 wurde schließlich die "Union der Ziegelarbeiter" gegründet und 1909 konnte der erste Kollektivvertrag für 17.000 Ziegelarbeiter durchgesetzt werden.

Als "dritte Säule" der Sozialdemokratie neben den Bildungsvereinen und den Gewerkschaften entstanden die Genossenschaften. Schon um 1880 konstituierte sich in Favoriten ein tschechischer Arbeiter-Konsumverein. Und 1912 erzielten die acht Filialen des Konsumvereins "Vorwärts" bereits einen Umsatz von mehr als 1,5 Millionen Kronen und zählten über 5.000 Mitglieder.

Die Favoritner Bezirksorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei wurde 1894 im Gasthaus Menzel in der Götzgasse 6 gegründet. Erster Obmann war Alois Treiber, 1897 folgte ihm Johann Pölzer.

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Für die weitere Geschichte der Favoritner Sozialdemokratie steht jedoch ein Ort vor allen anderen: Das Arbeiterheim Favoriten, errichtet nach Plänen der Architekten Franz und Hubert Gessner, eröffnet 1902 in der Laxenburger Straße 8-10 und fortan Ort zahlloser Veranstaltungen der Arbeiterbewegung.

Im November 1903 fand der Parteitag der österreichischen Sozialdemokraten zum ersten Mal im Favoritner Arbeiterheim statt. 1904 und 1911 fanden bauliche Erweiterungen statt; 1912 wurde im Arbeiterheim das erste Kino des Bezirks eingerichtet. Am 28. September 1916 fand hier auch die erste Friedensversammlung seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs statt.

Bei den Bezirksvertretungswahlen des Jahres 1919 errang die SDAP eine Zweidrittel-Mehrheit. Erster sozialdemokratischer Bezirksvorsteher wurde August Sigl. Das große Reformwerk des "Roten Wien" konnte beginnen.

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Im Vordergrund stand die Errichtung von Wohnraum. Insgesamt entstanden während der Ersten Republik in Favoriten 43 Volkswohnhäuser mit über 9.500 Wohnungen, das entspricht 13% des gesamten Wohnbauvolumens vor 1934. Bis 1928 wurden in Favoriten auch neun neue Kindergärten, darunter die bemerkenswert schöne Anlage im 1923 geschaffenen Waldmüllerpark, errichtet.

International bekannt wurde auch das erste Montessori-Kinderheim der Stadt Wien (1923) in der Troststraße 78. Ähnlich den Glöckel'schen Prinzipien entwickelte die italienische Ärztin Maria Montessori (1870–1952) eine Methode zur möglichst freien Entfaltung der Kinder, deren frühe Selbständigkeit durch die Einbeziehung von Alltagsarbeiten in die Lehrpläne und durch eine Art von Selbstverwaltung gefördert werden sollte.
 

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Favoriten war bereits während der Ersten Republik eine der Hochburgen der sozialdemokratischen Bewegung: 1931 zählte der Republikanische Schutzbund in Favoriten mehr als 3.000 Aktive; in der Sozialistischen Arbeiterjugend waren über 1.500 Jugendliche organisiert; die Kinderfreunde zählten rund 3.000 Mitglieder, 550 Rote Falken waren in 19 Gruppen aktiv; nur in Favoriten gab es auch eine eigene Bezirksgruppe des Verbandes Sozialistischer Studenten.

Im Favoritner ASKÖ waren 42 Sportvereine zusammengefasst, davon 25 Fußballklubs; der Favoritner WAT besaß neun Turnplätze. Im selben Jahr gab es auch bereits 21 Filialen der Konsumgenossenschaft im Bezirk und die Favoritner SDAP erreichte mit knapp 42.000 Mitgliedern ihren Höchststand. Waren 1919 nur etwa 13% der Parteimitglieder Frauen gewesen, so waren es nun bereits 35%.

Während die Nationalsozialisten bei den Gemeinderatswahlen im April 1932 in ganz Wien über 17% der Stimmen erreichten, blieben sie in Favoriten unter 10% – ihr zweitschlechtestes Bezirksergebnis.

Im Februar 1934 kam es auch in Favoriten zu Kämpfen, allerdings fehlte es gerade hier an einer zentralen Koordination. Nach dem Ende der Kämpfe wurden über 200 Favoritner Sozialdemokraten festgenommen. 1935 wurden die Namenslettern von zahlreichen Gemeindebauten demontiert, selbst George Washington verschwand.

Bei Kriegsende waren mehr als drei Viertel des Favoritner Gebäudebestandes beschädigt. Die Leitung der neugegründeten Bezirksorganisation übernahm Franz Probst, im Oktober 1945 folgte ihm sein Bruder Otto Probst als neuer Obmann. Bei den ersten freien Wahlen erzielte die SPÖ in Favoriten knapp 70 Prozent.

Da das Arbeiterheim von der sowjetischen Besatzungsmacht requiriert war, befand sich das Bezirkssekretariat der SPÖ Favoriten bis 1952 im Pölzerhof, Dampfgasse 35-37. Während dieser Zeit wurde das Waldmüller-Kino in der Hasengasse 38-42 von der SPÖ betrieben und als Ersatz für den Saal des Arbeiterheims genützt. Die Rückkehr ins einigermaßen renovierte Arbeiterheim war erst 1952 möglich.

1947 wurde mit dem Bau der Per-Albin-Hansson-Siedlung begonnen. Zur Errichtung der Anlage stellte die Schwedische Europahilfe zwei sogenannte Vibro-Maschinen zur Verfügung, die aus dem Schutt zerstörter Häuser neue Bausteine erzeugten. Anfang 1949 konnten die ersten Mieter einziehen und am 5. August 1951 erfolgte die feierliche Eröffnung der Siedlung, die einen Kindergarten und 1955 auch ein Volksheim erhielt.
In den 1950er und 1960er Jahren entstanden zahlreiche weitere Wohnbauten und Favoriten festigte seine Stellung als bevölkerungsreichster Bezirk Wiens.
 
Zum 100. Geburtstag Favoritens im Jahr 1974 fand am neuen WIG-Gelände eine Gartenausstellung statt. Im selben Jahr entstand in der Favoritenstraße eine der ersten Fußgängerzonen. Am 28. Februar 1978 fuhr der erste U-Bahnzug zum Reumannplatz, und im Mai 1978 wurde die für den Bezirk so wichtige Südost-Tangente eröffnet.
 

Auf dem Areal des ehemaligen Frachtenbahnhofes entsteht derzeit das Sonnwendviertel. 2016 wurde hier der Helmut-Zilk-Park eröffnet, weiters sind etwa 5.000 Wohnungen für etwa 13.000 Menschen sowie 20.000 Arbeitsplätze vorgesehen. Das Sonnwendviertel soll bis etwa 2025 fertiggestellt sein.

Die SPÖ stellte seit 1946 alle Bezirksvorsteher im 10. Bezirk:

Karl Wrba (1946 bis 1966)
Emil Fucik (1966 bis 1977)
Josef Deutsch (1977 bis 1984)
Leopold Prucha (1984 bis 1994)
Hermine Mospointner (1994 bis 2017)
Marcus Franz (seit September 2017)

Bei der Bezirksvertretungswahl 2020 erhielten die SPÖ 47,4% und 30 Mandate (von 60 Mandaten), die ÖVP 18% und 11 Mandate, die FPÖ 10,5% und 6 Mandate, die Grünen 8,9% und 5 Mandate, HC 4,3% und 2 Mandate, die Neos 4,1% und 2 Mandate, SÖZ 3,1% und 2 Mandate, Bier 1,7% und 1 Mandat sowie Links 1,5% und 1 Mandat.

Bezirksorganisation der SPÖ Favoriten
10., Laxenburger Straße 8-10
Tel.: 604 27 28

BezirksparteivorsitzendeKathrin Gaál
Bezirksvorsteher: Marcus Franz

Literatur: Harald Eschenlor, Wien - Favoriten, 2004; Ulli Fuchs, Trümmer und Träume. Alltag in Favoriten 1945–1955, 1991; Christine Klusacek, Favoriten. Zwischen gestern und morgen, 2005; Christine Lapp und Harald Troch, Favorit in Favoriten, 1992; Herbert Tschulk, X. Favoriten, 1985.