Konsumgenossenschaften

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Die Konsumgenossenschaft ist eine besondere Form der Genossenschaft im Einzelhandel, die sich in erster Linie mit dem Vertrieb von Waren des täglichen Bedarfs befasst. Konsumgenossenschaften entstanden um die Mitte, besonders aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall in Europa als Selbsthilfemaßnahme der Arbeiter und kleinen Gewerbetreibenden, die von den etablierten Lebensmittelhändlern regelmäßig übervorteilt, manchmal aber auch regelrecht ausgebeutet wurden. Durch die Gründung solcher Genossenschaften konnten die Arbeiter ihre Lebenshaltung durch den gemeinsamen Großeinkauf billigerer Waren ganz entscheidend verbessern.

Die Idee, sich zu einer Verbrauchergenossenschaft zusammenschließen, um die benötigten Waren gemeinsam im großen – und damit auch billiger – einzukaufen, kam aus England, wo bereits im Dezember 1844 der Laden der "Rochdale Society of Equitable Pioneers", einer Initiative von 28 Webern in Rochdale (bei Manchester) eröffnet wurde. Hier wurden auch die Grundprinzipien formuliert, die die Leitlinie der Konsumgenossenschaftsbewegung bildeten (gleiches Stimmrecht, Rückvergütung, Barzahlung, politische und religiöse Neutralität etc.).

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1850 entstand im sächsischen Eilenburg (bei Leipzig) die erste deutsche "Lebensmittelassoziation". Der erste österreichische Konsumverein wurde am 25. und 26. August 1856 als "Wechselseitiger Unterstützungsverein der Teesdorfer Spinnfabriksarbeiter zur Beschaffung wohlfeiler Lebensmittel" im niederösterreichischen Teesdorf (Baden) gegründet; der (bürgerliche) "Erste Wiener Consumverein" entstand 1862 auf Initiative höherer Eisenbahnbeamter, und am 10. Oktober 1864 folgte der Erste Niederösterreichische Arbeiter-Consumverein im heutigen 15. Bezirk.

Ende 1869 gab es in der österreichischen Reichshälfte bereits 285 Konsumvereine, und bis 1873 stieg ihre Zahl auf 540 an. Die meisten dieser Vereine waren allerdings sehr klein und finanzschwach; Dach- oder Zentralorganisation gab es vorerst keine. 1872 wurde schließlich der "Allgemeine deutsch-österreichische Genossenschaftsverband" gegründet; eine zweite Gruppe von Vereinen versammelte sich wenig später unter dem Dach des "Allgemeinen Verbandes der österreichischen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften".

1874 vereinigten sich diese beiden Verbände zum "Allgemeinen Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Österreich", dessen Mitglieder allerdings mehrheitlich Kreditgenossenschaften waren; die Konsumgenossenschaften machten anfangs nur etwa 10% der Mitglieder aus.

Der rasche Erfolg des Genossenschaftsgedankens, der bald auch seinen Niederschlag im rechtlichen Bereich fand – 1867 wurde das erste preußische Genossenschaftsgesetz erlassen, 1873 trat auch in Österreich das Genossenschaftsgesetz in Kraft –, stellte allerdings eine Bedrohung für die kleinen Einzelhändler dar, die deshalb erheblichen Druck auf die Unternehmer und Großhändler ausübten, damit diese nicht mehr an die Konsumgenossenschaften lieferten. Dieser jahrelange Wirtschaftskrieg führte letzten Endes dazu, dass die Konsumgenossenschaften sich ihre eigenen Großhandelsorganisationen und Eigenproduktionsbetriebe (Brot- und andere Fabriken) schufen.

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1888 bestanden noch 236 Konsumgenossenschaften mit 53.201 Mitgliedern, wovon etwa die Hälfte auf die drei großen Wiener Konsumvereine entfielen. Die Konsumgenossenschaften waren zu diesem Zeitpunkt noch kein Instrument der Sozialdemokratie und wiesen meist stark deutschnationale Tendenzen auf.

Dies änderte sich erst nach und nach: Noch 1896 distanzierte sich die Partei auf ihrem Parteitag in Prag von der Gründung neuer Konsumgenossenschaften. Gleichzeitig verschärften sich im Verband die Gegensätze zwischen den Konsum- und den Kreditgenossenschaften. 1896 gründeten die Konsumgenossenschaften deshalb ihren eigenen Verband.

Entscheidende Unterstützung in ihren Bestrebungen zur Verbesserung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung erhielten die Konsumvereine (oder -genossenschaften) durch die Arbeiterbildungsvereine und Gewerkschaften. Mit der Entwicklung der organisierten Arbeiterbewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Konsumvereine somit – neben Partei und Gewerkschaftsorganisation – zur "dritten Säule" der Arbeiterbewegung. Besonders Victor Adler, der das belgische Vorbild gut kannte, machte sich innerhalb der Partei zum Fürsprecher der Konsumgenossenschaften.

Am Parteitag 1903 kam es zur endgültigen Anerkennung der Konsumgenossenschaften: Der Parteitag erklärt es als die Pflicht aller von organisierten Arbeitern geleiteten Konsumvereine, dem Verbande der Arbeiter-Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften beizutreten und dessen Bestrebungen zur Zentralsisierung zu unterstützen... 

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1898 gab es in der österreichischen Reichshälfte 709 Konsumgenossenschaften mit knapp 200.000 Mitgliedern; 1904 waren es 882 Genossenschaften mit über 250.000 Mitgliedern, von denen 284 (mit knapp 100.000 Mitgliedern) dem im selben Jahr gegründeten Zentralverband österreichischer Konsumvereine (ZÖK) beitraten. In Wien bestanden bis nach dem Ersten Weltkrieg vier größere Konsumgenossenschaften: der "Erste niederösterreichische Arbeiter-Konsumverein", die Konsumvereine Fünfhaus und Donaustadt, und der Konsumverein Vorwärts.

Der Erste Weltkrieg brachte den Konsumgenossenschaften, die als "sicher und seriös" galten, übriges einen starken wirtschaftlichen Impuls, v.a. dort, wo sie – wie die Hammerbrotwerke – als Versorgungsbetriebe für die Armee arbeiteten.

Literatur: Robert Blaich, Die Entwicklung der Konsumgenossenschaften in Österreich, 1988; Alexander Butsch, Die Bedeutung der Konsumgenossenschaften in der Sozialdemokratischen Bewegung. Zum Verhältnis von Konsumgenossenschaften, Partei und Gewerkschaften in Österreich, 1994.