Tschechische Kaufleute waren seit dem Mittelalter in Wien ansässig. Während des Dreißigjährigen Kriegs kamen schließlich zahlreiche weitere Tschechen als Herrschaftsdiener und als Arbeiter nach Wien. 1761 erschien eine erste tschechische Zeitung in der Hauptstadt, 1813 folgte eine zweite. Bevorzugte Siedlungsgebiete der Tschechen waren zunächst die Vorstädte Wieden und Landstraße, und die Kirche Maria am Gestade galt zu dieser Zeit als "Böhmische Kirche".
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer massiven Einwanderung von Arbeitern und Handwerkern aus Böhmen und Mähren. Legendär waren die böhmischen Köchinnen und Ammen, die in den Wiener Herrschafts- und Bürgerhäusern Beschäftigung fanden, aber auch die sogenannten "Ziegelbehm", die am Wienerberg unter schwierigsten Bedingungen ihr Leben fristeten.
1862 entstand der "Slawische Gesangsverein", aus dem 1866 der tschechische Verein "Lumír" hervorging; 1863 folgte der Theaterverein "Pokrok", 1864 der Slawische Geselligkeitsverein "Slovanská Beseda" und 1868 der "Akademische Verein".
Im selben Jahr errichtete der "Tschechoslowakische Arbeiterverband" einen Schulausschuss, aus dem 1872 der bis heute existierende Komensky-Schulverein hervorging, der 1883 in der Quellenstraße 72 in Favoriten die erste tschechische Schule Wiens errichtete.
Unter dem christlichsozialen Bürgermeister Karl Lueger waren die tschechischen Zuwanderer einem massiven Assimilationsdruck ausgesetzt. Die Mitgliedschaft in einem tschechischen Verein oder das öffentliche Bekenntnis zur tschechischen Sprache waren nicht selten ein Grund für den Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst. Dies mag, neben der sozialen Stellung der meisten Wiener Tschechen, mit ein Grund für ihre starke Affinität zur Sozialdemokratie gewesen sein.
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erreichte die tschechische Zuwanderung ihren Höhepunkt. Bei der Volkszählung des Jahres 1900 gaben zwar "nur" 103.000 von 1,7 Millionen Einwohnern "Tschechisch" oder "Slowakisch" als Muttersprache an, es wird jedoch geschätzt, dass während des Ersten Weltkriegs etwa 300.000 Tschechen und Slowaken in Wien gelebt haben. In Favoriten dürfte es mehr als ein Viertel der Bevölkerung gewesen sein; allein hier gab es über 50 Kultur- und Sportvereine – der bekannteste von ihnen ist der Verein Sokol. Sehr hoch war der tschechische Einwohneranteil auch in den Bezirken 2, 3, 5, 17 und 20 sowie in Rudolfsheim.
Trotz der minderheitenfeindlichen Politik der damaligen Stadtverwaltung entstand eine breite politische und kulturelle Infrastruktur – mehrere tschechische Schulen, zwei Tageszeitungen ("Vídeńské dělnické listy" und "Vídeńsky deník"), Wochenblätter, Fachpublikationen, ungezählte Kulturvereine und politische Parteien, wie die Tschechische Sozialdemokratische Partei Österreichs.
Nach dem Ersten Weltkrieg übersiedelten Zehntausende – die Angaben schwanken zwischen 150.000 und 200.000 – aus Wien in den neugegründeten tschechoslowakischen Staat. Bei der Volkszählung des Jahres 1923 gaben trotzdem immer noch 81.345 von 1,865.780 Einwohnern Wiens "Tschechisch" oder "Slowakisch" als Muttersprache an. Nach dem "Anschluss" Österreichs wurden alle tschechischen Einrichtungen liquidiert, 1942 auch die letzten tschechischen Schulen und Vereine aufgelöst. Nach 1945 kam es zu einer weiteren Rückwanderungswelle, weshalb die wiedergegründeten Schulen und Vereine ihre Tätigkeit nur in sehr bescheidenem Ausmaß wiederaufnehmen konnten.
Nach der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei im Jahre 1948, besonders aber nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" im Sommer 1968 kam es zu bedeutenden Emigrationswellen von Tschechen (und Slowaken) nach Österreich. Mit dem Volksgruppengesetz 1976 wurden die tschechischen und slowakischen Volksgruppen auch in Österreich anerkannt und ein Minderheitenbeirat für sie eingerichtet. 1991 lebten knapp 20.000 Personen mit tschechischer Umgangssprache in Österreich, fast die Hälfte davon in Wien.
Das tschechische Schulwesen in Wien konnte sich nach 1945 nicht mehr richtig erholen. Seit 1964 besteht nur noch die Schule am Sebastianplatz 3 im dritten Bezirk, die lange Zeit nur aus Volks- und Hauptschule bestand und von rund 200 SchülerInnen besucht wurde; in den letzten Jahren ist hier ein gewisser Aufschwung zu verzeichnen. Die tschechische Sprachgruppe verfügt darüber hinaus noch über mehrere Presseorgane, aber über keine Radio- oder TV-Sendungen. Fallweise werden in der Sendung "Heimat, fremde Heimat" tschechischsprachige Beiträge ausgestrahlt.
Die Spaltung der Tschechoslowakei in die Tschechische und die Slowakische Republik im Jahre 1993 blieb nicht ohne Auswirkungen auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben der Minderheit in Österreich. Seit 1994 besteht ein separater Minderheitenbeirat für die tschechische Volksgruppe in Wien, die sich allerdings aus sehr unterschiedlichen Gruppen zusammensetzt – den Alteingesessenen, die seit Generationen in Wien leben, den Emigranten von 1948, jenen von 1968 und danach, und den neu Zugezogenen seit 1989.
Die mittlerweile nur noch wenige Tausend Personen umfassende Minderheit war allerdings auch früher schon eine vielschichtige Bevölkerungsgruppe. Zu ihr gehörten die "Ziegelbehm", deren furchtbare Ausbeutung Victor Adler so eindringlich geschildert hat, ebenso wie die Angehörigen berühmter Adelsfamilien, namhafte Ärzte, Künstler und Architekten, aber auch zahlreiche kleine Gewerbetreibende und die legendären Ammen und Köchinnen aus Böhmen. Die politische Entwicklung seit dem Ende des Ersten Weltkriegs hat die Volksgruppe allerdings stark dezimiert. Die meisten Nachkommen der einstigen Zuwanderer haben sich vollkommen assimiliert und zur Herkunft ihrer Vorfahren keinerlei Beziehung mehr. Die unzähligen slawischen Namen im Wiener Telefonbuch beweisen jedoch, dass ein erheblicher Prozentsatz der Wiener Bevölkerung – sicherlich mehr als ein Drittel – von Zuwanderern aus Tschechien und der Slowakei abstammt.
Literatur: Karl M. Brousek, Wien und seine Tschechen. Integration und Assimilation einer Minderheit im 20. Jahrhundert, 1980; Gero Fischer (Hrsg.), Tschechisches Theater in Wien, 1997; Monika Glettler, Sokol und die Arbeiterturnvereine (D.T.J) der Wiener Tschechen bis 1914, 1970; dies., Die Wiener Tschechen um 1900. Strukturanalyse einer nationalen Minderheit in der Großstadt, 1972; dies., Böhmisches Wien, 1985; Gabriele Karoh, Zuwandererproblematik am Beispiel der Wiener Tschechen um 1900, 1992; Johann Neumann, Tschechische Familiennamen in Wien, 1973; Erika Zilk, Der Schulverein "Komenský" als Gründer und Erhalter tschechischer Schulen und anderer Bildungseinrichtungen in Wien, 1998.