Diese Bäder waren günstig und entwickelten sich daher sehr bald zu Massenbetrieben, die von Bademeistern kontrolliert wurden und deren Besuch streng reglementiert war – besonders die maximale Duschzeit von 30 Minuten.
Nur allzu oft konnten die Wasserreservoirs den Andrang der Badefreudigen nicht mehr bewältigen – daher der Begriff "Tröpferlbad". Erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs begann die neue, sozialdemokratische Verwaltung der Stadt, den hygienischen Erfordernissen einer Millionenmetropole wirklich Rechnung zu tragen
Anknüpfend an die Idee der Volksbäder und parallel zur kommunalen Wohnbautätigkeit wurde ein kommunales Bäderkonzept erstellt. Die neuen Arbeiterbäder waren mit Schwimmhallen, Dampfbädern und Kurabteilungen z.T. aufwendig gestaltet; Einrichtungen, die bis dato nur den wohlhabenden Schichten zugänglich waren, sollten damit auch der arbeitenden Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Beispielgebend wurde das in den Jahren 1923 bis 1926 errichtete Amalienbad, das über ein Sportbecken mit Sprungturm, ein Kinderbecken, Dampf-, Heißluft-, Brause- und Wannenbäder, medizinische Bäder, Fuß- und Handpflege, Masseur, Friseur und Buffet verfügte.
Das Amalienbad war zur Zeit seiner Errichtung europaweit richtungsweisend und sollte der Arbeiterschaft die Möglichkeit zur regelmäßigen Körperpflege und sportlichen Betätigung geben – das Schwimmen als Alternative zu Wirtshausbesuch und Alkoholkonsum.
In konservativen Kreisen wurde das Amalienbad heftig kritisiert. So schrieb etwa die Reichspost am 17. September 1933: Die Gemeindeverwaltung trieb einen Luxusaufwand, der mit ihrem Vernichtungskrieg gegen allen Luxus in schreiendstem Widerspruch stand […]. Auch Proletarier brauchen Bäder. Also baute man ihnen einen kostspieligen Badepalast, in dem sie sich gar nicht heimisch fühlen.
Gleichzeitig erfolgte die Schaffung von Freiluftbädern am Rande des Wienerwaldes und der Ausbau der bereits existierenden Bäder in den Donauauen, wie etwa dem Gänsehäufel und dem Arbeiterstrandbad.
Diese in der Zwischenkriegszeit errichteten Freibäder lösten die sogenannten Strombäder in der Donau ab, die im wesentlichen schwimmende Flöße mit einem in den Fluss eingelassen offenen Becken waren.
Die neuen Sommerbäder entwickelten sich rasch zu kleinen Ortschaften mit Saisonkabinen, Wochenendhäuschen, Restaurants, Geschäften und Vergnügungsstätten.
Das später als "Krapfenwaldl" bezeichnete Gasthaus wurde 1911 von der Gemeinde Wien zu einem Volksrestaurant umgestaltet, später wurde es in das gleichnamige Bad einbezogen. Schon in der Ersten Republik gab es hier sogar zwei Abteilungen für Nacktbadende.
1952 wurde das Krapfenwaldlbad in vergrößertem Umfang wiedereröffnet.
1926 folgte das Ottakringer Bad (16., Johann-Staud-Straße 11). Es war das erste Bad, das über eine elektrische Vorwärmeanlage verfügte – das Becken wurde nämlich mit Hochquellwasser gespeist.
Das Ottakringerbad wurde von den Wienern auch "Steinhofer Bad" oder liebevoll "Stanze" genannt.
In den 1960er-Jahren wurde das Bad nach dem Bäderkonzept der Stadt Wien umgestaltet und mit Neuanlagen versehen.
Etwa zur gleichen Zeit erwarb die Gemeinde Wien in Döbling ein ehemaliges Fabriksgelände (ursprünglich Flugzeughalle, später Filmatellier "Dreamland") und errichtete hier das Hohe-Warte-Bad (19., Hohe Warte 8).
Die Fabrikshalle wurde mit einem 25-Meter-Becken versehen; eine Seitenwand konnte geöffnet werden, davor boten Liegewiesen etwa 3.000 Personen Platz. Dieses erste "Beinahe"-Hallenbad wurde 1927 eröffnet.
Eine weitere Besonderheit des Hohe-Warte-Bades bildete die Beleuchtungsanlage, die ein Offenhalten auch nach Sonnenuntergang erlaubte. Das Bad wurde 1987 geschlossen, im Jahr darauf eröffnete beim Hallenbad Döbling ein neues Sommerbad.
Ebenfalls in der Ersten Republik entstanden das Kongressbad (1928) und das Stadionbad, das 1931 anlässlich der 2. Arbeiter-Olympiade eröffnet wurde. Das Vorhaben, das Wiener Stadion und seine Umgebung zu einem großen Sportzentrum auszugestalten, konnte allerdings nicht mehr verwirklicht werden.
Einen wichtigen Bestandteil des Bäderkonzepts im "Roten Wien" stellte auch die Errichtung kostenloser Kinderfreibäder in den einzelnen Bezirken dar, die auf Initiative Julius Tandlers als ein Mittel zur Vorbeugung gegen Lungenkrankheiten und Rachitis in Parkanlagen innerhalb des Stadtgebietes angelegt wurden.
Die Finanzierung dieser und anderer sozialer Institutionen erklärte Finanzstadtrat Hugo Breitner in seiner unnachahmlich pointierten Art: Die Betriebskosten der Schulzahnkliniken liefern die vier größten Wiener Konditoreien [...] Die Schulärzte zahlt die Nahrungsmittelabgabe des Sacher. Die gleiche Abgabe vom Grand-Hotel, Hotel Bristol und Imperial liefert die Aufwendungen für die Kinderfreibäder. Das städtische Entbindungsheim wurde aus den Steuern der Stundenhotels erbaut und seine Betriebskosten deckt der Jockey-Klub mit den Steuern aus den Pferderennen.
Wien wurde innerhalb weniger Jahre zur Hauptstadt mit den meisten Bädern. Verzeichneten die Volksbäder (vorwiegend Brausebäder) zu Beginn der Ersten Republik noch eine Frequenz von etwa 2,7 Millionen Besuchern jährlich, so hatte sich diese Zahl im Jahr 1931 auf über 6 Millionen erhöht.
Im Zweiten Weltkrieg wurden von den 72 Bädern der Stadt Wien sieben vollkommen zerstört und 23 schwer beschädigt.
Noch im Verlauf des Jahres 1945 konnten 30 Bäder ihren Betrieb wieder aufnehmen; 1948 folgte das Amalienbad, 1950 das Gänsehäufel. 1955 wurde das völlig neuerrichtete Theresienbad eröffnet, das 1965 überdacht wurde und damit als erstes Hallenbad der Nachkriegszeit gilt.
Wien ist heute im weltweiten Vergleich immer noch die Hauptstadt mit den meisten Badeanstalten. Das seit 1907 bestehende Gänsehäufel ist mit seinen 330.000 Quadratmetern Fläche eines der größten Strandbäder Europas, und das Schafbergbad fasst an schönen Tagen rund 16.000, das Stadionbad sogar über 20.000 Badegäste.
Literatur: Claudia Feichtenberger, Unsere Bäder – von der Badestube zur Erlebniswelt, 1994; Wilhelm Seledec, Helmut Kretschmer, Herbert Lauscha, Baden und Bäder in Wien, 1987; Helfried Seemann und Christian Lunzer, Wiener Bäder, 2004.