Wegen des ständigen Mangels an geeigneten Vereins- und Versammlungslokalen, der die politische Arbeit behinderte, gründeten die Favoritner Sozialdemokraten im Mai 1896 den Verein "Arbeiterheim Favoriten"; Ziel dieses Vereins war es, mit Spendensammlungen, Veranstaltungen und anderen Aktivitäten die nötigen Mittel für die Errichtung eines eigenen Heimes für alle Arbeiterorganisationen des Bezirks aufzubringen.
Ein geeigneter Baugrund konnte zwar relativ rasch gefunden werden, die Beschaffung der Geldmittel für den Bau selbst erwies sich jedoch als schwierig. Dies änderte sich erst, als Simon Schwarzbauer zum Vereinsobmann gewählt wurde. Ihm gelang es, den ursprünglich skeptischen Victor Adler und die Arbeiter-Zeitung für die aktive Unterstützung des Projekts zu gewinnen.
1900 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, eine Jury vergab das Projekt schließlich an den jungen Architekten und Otto-Wagner-Schüler Hubert Gessner. Gessner verstand es, die praktischen Anforderungen an ein solches Gebäude mit den ästhetischen Vorstellungen der damaligen Moderne zu einem überaus eindrucksvollen Bauwerk zu verbinden, das radikal mit dem vorherrschenden Historismus brach und eine echte Bereicherung der Wiener Jugendstil-Architektur darstellte. Es war groß, ohne brutal zu sein; schlicht, ohne armselig zu scheinen; streng, ohne herb zu wirken.
Am 5. August 1901 erfolgte der Spatenstich und schon am 7. September 1902 konnte das Arbeiterheim mit einem "Festkommers" eröffnet werden. Die offizielle Festversammlung fand einen Tag später statt. In seiner Eröffnungsrede gedachte Victor Adler des steinigen Weges der jungen Sozialdemokratie:
So mancher, der in diesem Saale ist, wird sich noch erinnern, wie wir begonnen haben, wird sich der langen Nächte erinnern, wie wir in elendsten Schlupfwinkeln gehaust haben, wie wir verfolgt, gehetzt, verachtet, verhöhnt waren in diesem Osterreich, in diesem Wien; und er wird daran denken, welcher Arbeit von Zehntausenden es bedurft hat, um dem Arbeiter in diesem Reiche und in dieser Stadt Respekt zu schaffen. Nun sind wir ein Stück weiter: Hier sind wir zu Hause. Wir haben ein Heim!
Das Arbeiterheim Favoriten war der Sitz aller Gewerkschafts- und Kulturorganisationen sowie der meisten politischen Vereine der Sozialdemokratie in Favoriten. Es gab einen großen Theatersaal mit 1.117 Sitzplätzen, fünf kleinere Säle, darunter einen Turnsaal, zehn Klubzimmer mit einem variablen Fassungsraum von 50 bis 500 Personen, ein Restaurant, das erste Kinderfreunde-Lokal des Bezirks, eine große Zentralbibliothek, eine Filiale der Konsumgenossenschaft, eine Zahlstelle der Allgemeinen Arbeiterkrankenkasse sowie 40 Arbeiterwohnungen in den oberen Stockwerken.
Freilich, anders wohnt hier schon der Proletarier als in den Favoritner Zinskasernen mit ihren stinkigen, luft- und lichtlosen Gängen […] Jede Wohnung, auch die kleinste, nur aus Zimmer und Küche bestehende, hat ein eigenes Vorzimmer, einen eigenen Abort und eigene Wasserleitung, meldete die Arbeiter-Zeitung.
Das Arbeiterheim war von Anfang an auch ein Zentrum der sozialdemokratischen Bildungsarbeit. Die Bezirksbildungsorganisation und der Volksbildungsverein organisierten hier zahlreiche Kurse, Vorträge und Konzerte. Sehr populär wurde auch das "Favoritner Volkstheater", das im Theatersaal Operetten, Heimatstücke und sozialkritische Dramen zur Aufführung brachte.
Im November 1903 fand der Parteitag der österreichischen Sozialdemokraten zum ersten Mal im Favoritner Arbeiterheim statt. 1904 und 1911 fanden bauliche Erweiterungen statt; 1912 wurde im Arbeiterheim das erste Kino des Bezirks eingerichtet.
Seither war das Heim Schauplatz unzähliger Veranstaltungen – darunter auch des letzten, außerordentlichen Parteitags der SDAP vor ihrem Verbot, im Oktober 1933. Die Hauptreferate hielten Otto Bauer und Julius Deutsch. Wegen der angespannten politischen Situation (Ausschaltung des Parlaments, Pressezensur, Verbot des Schutzbundes etc.) waren die Beratungen streng vertraulich, Gäste und Presse blieben ausgeschlossen.
Das Favoritner Arbeiterheim wurde in beiden Weltkriegen zweckentfremdet: Während des Ersten Weltkrieges wurde ein Teil des Heims in eine Kaserne umgewandelt und für die kriegsleistungsverpflichteten Arbeiter der rüstungswichtigen Betriebe eine eigene Ausspeisung eingerichtet.
Nach der widerstandslosen Besetzung des Heims am 12. Februar 1934 wurde das Gebäude zunächst von der "Vaterländischen Front", später von verschiedenen NSDAP-Organisationen genutzt. Nach der Befreiung diente es der sowjetischen Besatzungsmacht als Bezirkskommandantur.
Erst am 13. August 1951 wurde der Bau in sehr schlechtem Zustand an Bezirksvorsteher Karl Wrba übergeben.
Nach Beendigung der wichtigsten Renovierungsarbeiten konnte das Arbeiterheim im März 1952 wieder eröffnet werden. Der große Kinosaal, die Gartensäle, das Bezirkssekretariat und die Konsumfiliale waren einigermaßen instandgesetzt worden. Das Arbeiterheim wurde sehr rasch wieder zum Zentrum der Favoritner Sozialdemokratie.
Im Jahr 1955 wurden bereits 191 Veranstaltungen im Arbeiterheim abgehalten: Neben politischen Versammlungen und Konferenzen fanden hier auch zahlreiche Unterhaltungs- und Kulturveranstaltungen statt, Konzerte der Favoritner Arbeitersänger und der Arbeitersymphoniker, Lichtbildvorträge, Ausstellungen, Lieder- und Kabarettabende, Kinder- und Schulbälle, Bälle der Eisenbahner und der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter sowie der jährliche "Rote Herzen Ball". Auch verschiedene Sportvereine fanden im Arbeiterheim eine Heimstatt und konnten hier trainieren.
Leider verschlechterte sich der Zustand des Arbeiterheimes durch alte Schäden an der Bausubstanz von Jahr zu Jahr. Zunächst musste das Kino geschlossen werden; 1985 übersiedelte auch das SPÖ Bezirkssekretariat in Ausweichräume in der Leebgasse 4.
Von grundlegender Bedeutung für die Rettung des nahezu abbruchreifen Arbeiterheims war schließlich der Denkmalschutz-Bescheid vom September 1984. Allerdings sollte es noch mehrere Jahre dauern, bis die Generalsanierung des Gebäudes endlich in Angriff genommen werden konnte.
Zusagen verschiedener Spitzenpolitiker, das Arbeiterheim könnte anlässlich des Jubiläums "100 Jahre Sozialdemokratie" saniert werden, wurden nicht erfüllt. 1989 erwogen die Favoritner Sozialdemokraten aus Protest sogar die Nichtteilnahme an der zentralen Maiveranstaltung am Rathausplatz und die Abhaltung einer eigenen Maifeier.
Die in Favoriten lebende Rosa Jochmann und der frühere Gemeinderat Hans Schiller engagierten sich vehement für die Erhaltung des Arbeiterheims, ebenso ein überparteiliches Personenkomitee "Rettet das Arbeiterheim Favoriten", in dem die Junge Generation mitwirkte.
Ein von Bezirksobmann Anton Gaal erarbeitetes Finanzierungskonzept brachte schließlich den Durchbruch. Durch die Teilnutzung als "Trend-Hotel Favorita" wurde die originalgetreue Wiederherstellung der Bausubstanz ermöglicht und die Erhaltung des Arbeiterheims gesichert. Das Hotel musste 2014 seinen Betrieb einstellen, seit Oktober 2015 beherbergt es Flüchlinge. In einem Teil des Gebäudes hat weiterhin die SPÖ Favoriten ihren Sitz.
Dem "Architekten der Arbeiterbewegung", Hubert Gessner, widmete der Waschsalon Karl-Marx-Hof 2011 eine Sonderausstellung.
Literatur: Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Markus Kristan, Hubert Gessner. Architekt zwischen Kaiserreich und Sozialdemokratie 1871-1943, 2011.