Mariahilf

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Der Bezirk Mariahilf entstand 1850 durch die Eingemeindung der Vorstädte Gumpendorf, Laimgrube, Mariahilf, Windmühl- und Magdalenengrund. Nach der Abtrennung Margaretens von Wieden im Jahr 1861 und der damit verbundenen Umnummerierung sowie der Abtretung der nördlich der Mariahilferstraße gelegenen Teile der ehemaligen Vorstädte Laimgrube und Mariahilf an den Bezirk Neubau entstand der heutige 6. Bezirk, der 1,48 Quadratkilometer und knapp 32.000 Einwohner (2017) umfasst.

Mariahilf war lange Zeit ein typisch kleinbürgerlicher Bezirk, Sitz zahlreicher Handwerker und Gewerbetreibender, spezialisiert auf Textilien, Schuhe und Möbel.

Durch die Lage des Bezirks an der ehemaligen Poststraße nach Linz entwickelte sich Mariahilf in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch immer mehr zu einem Arbeiterbezirk, der bald die größte Industriedichte aller Vorstädte Wiens aufwies. Besonders hoch war der Anteil der Arbeiter in den Fabriksvierteln von Gumpendorf. Es verwundert deshalb nicht, dass der heutige 6. Bezirk im Revolutionsjahr 1848 ein Zentrum der Rebellion war.

Die Bedeutung der Mariahilfer Straße, die den Beginn der Straßenverbindung nach Linz darstellte – und die Grenze zum 7. Bezirk bildet –, wurde durch die Errichtung des Westbahnhofes im Jahr 1859 noch verstärkt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als hier mehrere große Warenhäuser (Gerngroß, Herzmansky und andere) errichtet wurden, entwickelte sie sich zur bedeutendsten Geschäftsstraße der Vorstädte und ist heute – nach der Neugestaltung im Zuge der Errichtung der U3 – immer noch eine der Hauptgeschäftsstraßen Wiens.

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An öffentlichen Einrichtungen sind v.a. das Theater an der Wien (1798–1801), das Raimundtheater (1893), das Semperdepot (1877 als Hoftheater-Dekorationsdepot errichtet, seit 1996 von der Akademie der bildenden Künste genützt), das Apollo-Kino (1904 als Varieté-Theater gegründet, 1929 zum ersten großen Tonfilmkino Wiens umfunktioniert, 1993 zu einem Mehrsaalkino umgebaut), das Gebäude der Technischen Universität, das "Haus des Meeres" im Flakturm im Esterházypark (seit 1966) sowie der teilweise zum 6. Bezirk gehörende Naschmarkt zu erwähnen.

Der heutige Wohn- und Geschäftsbezirk Mariahilf steht wegen seiner frühen Industrialisierung gewissermaßen an der Wiege der Wiener Arbeiterbewegung. Am 8. Dezember 1867 wurde im Hotel "Zum blauen Bock", Mariahilfer Straße 81, das einen beliebten Ball- und Versammlungssaal besaß, der Wiener Arbeiter-Bildungsverein gegründet. Vorbereitet wurde diese Zusammenkunft von Arbeiterkomitees in Gumpendorf und Schottenfeld, den damaligen Zentren der Wiener Textilindustrie. Da der Zustrom zur Versammlung selbst die kühnsten Erwartungen übertraf, wurde das Treffen vertagt und fand schließlich am 15. Dezember in Schwenders Kolosseum in der äußeren Mariahilfer Straße statt. Die Zusammenkunft am 8. Dezember gilt dennoch als das Gründungsdatum des Arbeiter-Bildungsvereins Gumpendorf, der damit der erste Arbeiterverein Wiens war und sich rasch zu einer der aktivsten Organisationen in der Frühzeit der Wiener Arbeiterbewegung entwickelte.

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Das erste Lokal des Arbeiterbildungsvereins befand sich im Haus Mariahilfer Straße 25, von 1868 bis zum Jahr 1890 befand sich der Vereinssitz in der Magdalenenstraße 32 – allerdings mit Unterbrechungen: 1870 wurde der Bildungsverein vor dem Hintergrund des Hochverratsprozesses gegen führende Sozialdemokraten aufgelöst und noch im selben Jahr neu gegründet. In den folgenden Jahren stand der Bildungsverein auf der Seite der sogenannten "Radikalen".

Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes im Januar 1884 löste sich der Verein von selbst auf, um der Vermögensbeschlagnahme zuvor zu kommen.

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Im November 1885 begann der Verein seine Tätigkeit zum vierten Mal. 1890 zog der Arbeiterbildungsverein, der wenig später in der neugegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei aufging, schließlich in das Gebäude der Allgemeinen Arbeiter-Kranken- und Unterstützungskasse in der Gumpendorferstraße 62 ein, das bis zum Parteiverbot im Jahre 1934 Sitz der Bezirksorganisation Mariahilf blieb. Die Kasse selbst übersiedelte 1914 in das neu errichtete Haus in der nahen Mollardgasse 8 (heute u.a. Bezirksmuseum Mariahilf).

Bis zum Jahr 2012 befand sich der Sitz der Bezirksorganisation in der nahen Otto-Bauer-Gasse 9. Die Gasse ist nicht zufällig nach dem sozialdemokratischen Vordenker benannt, der lange Zeit in der früher "Kasernengasse" genannten Gasse auf Nummer 2 wohnte und arbeitete. Der Festsaal der Bezirksorganisation war nach Alexander Langer benannt, der in der Ersten Republik Bezirksobmann und von 1920 bis 1923 Bezirksvorsteher von Mariahilf war.

Im Oktober 2012 zog die SPÖ Mariahilf hier aus und gemeinsam mit der SPÖ Neubau an den neuen Standort in der Lindengasse.

Die SPÖ stellte seit 1945 fünf BezirksvorsteherInnen im 6. Bezirk:

Franz Löwner (1945 bis 1946)
Hubert Feilnreiter (1969 bis 1977)
Werner Jank (1977 bis 1978)
Renate Kaufmann (2001 bis 2014)
Markus Rumerhart (seit 2014)

Bei der Bezirksvertretungswahl 2020 erhielten die SPÖ 37,2% und 16 Mandate (von 40 Mandaten), die Grünen 30,4% und 13 Mandate, die ÖVP 14,8% und 6 Mandate, die Neos 7% und 3 Mandate, Links 3,8% und 1 Mandat sowie die FPÖ 3,5% und 1 Mandat.

Bezirksorganisation der SPÖ Mariahilf
7., Lindengasse 64
Tel.: 534 27 1060

Bezirksparteivorsitzende: Peko Baxant
Bezirksvorsteher: Markus Rumelhart 

Literatur: Felix Czeike, VI. Mariahilf, 1981; Helmut Kretschmer, Mariahilf. Geschichte des 6. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte, 1992; Susanne Schestak-Hörschläger, Mariahilf – die Wiege der Arbeiterbewegung, 1989.