Die Geschichte der Ersten Republik begann mit dem 12. November 1918, dem Tag der Ausrufung der Republik Deutschösterreich durch die Provisorische Nationalversammlung, zu der sich die deutschsprachigen Abgeordneten des 1911 zuletzt gewählten Reichsrats am 21. Oktober 1918 zusammengeschlossen hatten.
Am 31. Oktober übergab der letzte Ministerpräsident der cisleithanischen ("österreichischen") Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie, Heinrich Lammasch, die Regierungsgeschäfte an den aus den drei Präsidenten und 20 Mitgliedern der Provisorischen Nationalversammlung bestehenden "Staatsrat"; am 11. November verzichtete Kaiser Karl schließlich "auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften".
Der Weg zur Republik war damit frei und Karl Renner bildete als Staatskanzler eine Konzentrationsregierung aus Vertretern aller Parteien. Am 24. März 1919 musste Kaiser Karl mit seiner Familie Österreich verlassen, da er sich geweigert hatte, in aller Form auf den Thronanspruch zu verzichten.
Am 3. April beschloss die Nationalversammlung die Landesverweisung und Enteignung des Hauses Habsburg-Lothringen ("Habsburger-Gesetz") sowie die Abschaffung des Adels.
Am 10. September 1919 musste die Nationalversammlung den harten Bestimmungen des Friedensvertrags von Saint-Germain zustimmen, den Staatskanzler Renner wenige Wochen später unterzeichnete und der dem jungen Staat alleine die Kriegsschulden der alten Monarchie aufbürdete.
Die Bezeichnung "Deutschösterreich" wurde verboten; das Burgenland, das früher zu Ungarn gehört hatte, wurde Österreich zuerkannt, auch Südkärnten blieb nach einer Volksabstimmung im Jahr 1920 bei Österreich; Südtirol hingegen musste ohne Abstimmung an Italien abgetreten werden.
Am 16.2.1919 wurde die Konstituierende Nationalversammlung gewählt, die die von Hans Kelsen ausgearbeitete parlamentarische Bundesverfassung der neuen Republik beschloss, welche am 1.10.1920 in Kraft trat. Der von vielen Politikern aller Parteien angestrebte Anschluss der jungen Republik an das Deutsche Reich war von der Pariser Friedenskommission bereits 1919 untersagt worden. Österreich war, wie es der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau (1841–1929) ausdrückte, ce qui reste, das, was (von der Monarchie) übrigblieb.
Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der unmittelbaren Nachkriegsjahre, die durch Hungersnot, Kohlenmangel, Inflation und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet waren, traten relativ bald schwerwiegende innenpolitische Spannungen.
Am 10.6.1920 kündigten die Christlichsozialen die seit Oktober 1918 bestehende Koalition mit den Sozialdemokraten auf, was zum Rücktritt der Regierung Renner führte. Im Oktober 1920 schieden die Sozialdemokraten endgültig aus der Regierung aus. Statt auf Konsens lief nun alles auf Konfrontation hinaus.
Am 16.12.1920 wurde Österreich in den Völkerbund aufgenommen. Bundeskanzler Ignaz Seipel schloss 1922 eine Völkerbundanleihe in der Höhe von 650 Millionen Goldkronen ab, die mit einer internationalen Finanzkontrolle Österreichs verbunden war. Zwei Jahre später wurde die neue Schilling-Währung eingeführt; sie leitete die allmähliche Sanierung der österreichischen Wirtschaft ein.
Trotz dieser extrem ungünstigen Rahmenbedingungen waren die Leistungen auf vielen Gebieten mehr als beachtlich.
Das Angestellten-, das Arbeiterurlaubs-, das Hausgehilfen- und das Invalidenbeschäftigungsgesetz wurden beschlossen, der Achtstundentag, die Arbeitslosenversicherung und das System der Altersversorgung wurden eingeführt, der Mieterschutz blieb aufrecht.
Gleichzeitig führte Otto Glöckel seine richtungsweisende Wiener Schulreform zum Umbau des Bildungswesens durch. Das "Rote Wien" setzte auch hier weltweit beachtete Maßstäbe.
Auch in Kunst und Wissenschaft leistete der kleine Staat erstaunliches, wie nicht nur die österreichischen Nobelpreisträger Karl Landsteiner (1868–1943, 1930 Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung der Blutgruppen des Menschen) oder Erwin Schrödinger (1887–1961, 1933 Nobelpreisträger für Physik) beweisen.
Während sich die wirtschaftliche Lage der Ersten Republik allmählich zu konsolidieren begann, verschärften sich die politischen und weltanschaulichen Gegensätze zwischen dem bürgerlich-konservativen und dem sozialdemokratisch-fortschrittlichen Lager von Jahr zu Jahr.
Bald gründeten beide Parteien bewaffnete Wehrverbände, die Heimwehren auf der einen Seite, den Republikanischen Schutzbund auf der anderen. Das Schandurteil im Schattendorfer Prozess und die blutige Julirevolte mit dem Justizpalastbrand im Jahr 1927 bildeten bereits das Fanal der Ersten Republik. Der Verlauf dieser Ereignisse hatte die Sozialdemokraten entscheidend geschwächt und die austrofaschistischen Heimwehren soweit gestärkt, dass die christlich-soziale Regierung immer mehr zu deren Erfüllungsgehilfen wurde.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 brachte auch Österreich in neue Turbulenzen. Die Zahl der unterstützten Arbeitslosen stieg von 264.148 im Februar 1929 auf 401.321 im Februar 1933; dazu kamen jeweils noch etwa 100.000 nicht unterstützte Personen, sogenannte "Ausgesteuerte". 1932 musste Österreich eine neue Völkerbundanleihe in Höhe von 300 Millionen Schilling aufnehmen.
Als am 4. März 1933 alle drei Präsidenten des Nationalrates aus abstimmungstechnischen Gründen ihr Amt nacheinander niederlegten, sah Bundeskanzler Dollfuß die Gelegenheit gekommen, die ungeliebte parlamentarische Demokratie zu beseitigen. Das Parlament habe "sich selbst ausgeschaltet", und dabei blieb es. Dollfuß regierte fortan autoritär mit Hilfe von Regierungsverordnungen. Der Republikanische Schutzbund, die Kommunistische Partei und die Nationalsozialistische Partei wurden umgehend verboten. Nun war es nur noch ein kleiner Schritt zum blutigen Februar 1934 und zur endgültigen Zerschlagung der Sozialdemokratie.
Am 1. Mai 1934 rief Dollfuß den "Christlichen deutschen Bundesstaat Österreich auf berufsständischer Grundlage" aus und erklärte die im Jahr zuvor gegründete "Vaterländische Front" zum alleinigen Träger der politischen Willensbildung. Die Republik war zum "Ständestaat" geworden; Staatsrat, Bundeskulturrat, Bundeswirtschaftsrat und Länderrat traten an die Stelle der gewählten gesetzgebenden Körperschaften.
Die größte Gefahr drohte Österreich allerdings vom Nationalsozialismus, der seit dem 30. Januar 1933 in Deutschland an der Macht war. Am 27.5.1933 hatte die nationalsozialistische Reichsregierung die sogenannte "1.000-Mark-Sperre" erlassen, die jeden Deutschen, der nach Österreich reisen wollte, verpflichtete, 1.000 Mark als Kaution zu erlegen. Gleichzeitig setzte in Österreich eine Welle von Terror und Sabotageakten ein, und am 25. Juli 1934 wurde Bundeskanzler Dollfuß bei einem misslungenen Putschversuch illegaler österreichischer Nazis in seinen Amtsräumen erschossen.
Sein Nachfolger Kurt Schuschnigg setzte die autoritäre Staatsführung fort, versuchte die Bindung Österreichs an das faschistische Italien noch zu stärken und propagierte Österreich als "zweiten deutschen Staat". 1936 erließ er ein Gesetz über die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht und löste die Heimwehren auf. Die Annäherung Italiens an Hitler-Deutschland führten allerdings zum "Juli-Abkommen" von 1936, in dem Deutschland zwar die Souveränität Österreichs anerkannte, dieses sich aber verpflichtete, zwei Vertreter des "nationalen Lagers" in die Regierung aufzunehmen – Unterwanderung statt Konfrontation.
Bei der historischen Begegnung Hitlers mit Schuschnigg in Berchtesgaden am 12.2.1938 drohte Hitler mit dem sofortigen Einmarsch deutscher Truppen in Österreich, falls seine weitreichenden Forderungen nicht erfüllt würden.
Schuschniggs Versuch, das österreichische Volk zu einem Volksentscheid über die weitere Unabhängigkeit Österreichs aufzurufen, beantwortete Hitler mit einem Ultimatum, dem Schuschnigg sich am Abend des 11. März 1938 beugte. Versuche einer Annäherung an die in die Illegalität abgedrängten Sozialdemokraten waren zuvor im Sande verlaufen.
In der Nacht vom 11. zum 12. März marschierte deutsches Militär in Österreich ein, und am 15. März 1938 verkündete Adolf Hitler in Wien: Als Führer und Kanzler der deutschen Nation und des Reiches melde ich vor der Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich!
Seit 2010 beherbergt der Waschsalon Karl-Marx-Hof eine Dauerausstellung zur Geschichte des Roten Wien der Ersten Republik.
Literatur: Heinrich Benedikt (Hrsg.), Geschichte der Republik Österreich, 1977; Francis L. Carsten, Die erste österreichische Republik im Spiegel zeitgenössischer Quellen, 1988; Walter Goldinger und Dieter A. Binder, Geschichte der Republik Österreich 1918–1938, 1992; Helmut Konrad und Wolfgang Maderthaner (Hrsg.), ... der Rest ist Österreich. Das Werden der Ersten Republik (2 Bd.), 2008; Otto Leichter, Glanz und Ende der Ersten Republik, 1964; Hanns L. Mikoletzky, Österreichische Zeitgeschichte, 1969; Karl Renner, Österreich von der Ersten zur Zweiten Republik, Nachgelassene Werke Bd. 2, 1953; Günther Steinbach, Kanzler, Krisen, Katastrophen, Die Erste Republik, 2006; Erika Weinzierl, Der Februar 1934 und die Folgen für Österreich, 1995; Erika Weinzierl und Kurt Skalnik, Österreich 1918–1938, 1983.