Schwenders Kolosseum

15., Mariahilfer Straße / Schwendergasse

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Im Bereich der oberen Mariahilfer Straße – Schwendergasse befand sich im 19. Jahrhundert das größte Vergnügungsetablissement Wiens, "Schwenders Kolosseum", das auch Schauplatz zahlreicher Veranstaltungen der Arbeiterbewegung war. Der aus Karlsruhe stammende Kellner Karl Schwender hatte 1835 auf dem Gelände zunächst ein Kaffeehaus gegründet; nach und nach kaufte er auch die angrenzenden Gebäude und Grundstücke auf und errichtete verschiedene Gaststätten und Vergnügungseinrichtungen, zum Beispiel den "Amorsaal" für große Bälle, den "Florasaal" für Tanzveranstaltungen, den "Harmoniesaal" für Konzerte und Theatervorstellungen, eine Bierhalle, ein Gartenrestaurant usw.

 
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Karl Schwender starb 1866, sein Sohn gleichen Namens bereits zehn Jahre später. In der Folge geriet das Kolosseum auch durch die Konkurrenz modernerer Einrichtungen in finanzielle Schwierigkeiten. 1897 wurde das Etablissement geschlossen, 1898 erfolgte der Abriss.

Im Kolosseum fand am 15. Dezember 1867 die eine Woche zuvor wegen Platzmangels verschobene Gründungsversammlung des Wiener Arbeiterbildungsvereins statt. Insgesamt kamen an die 3.000 Teilnehmer. Den größten Beifall unter den zahlreichen stimmgewaltigen Rednern erhielt der Tischler Hermann Hartung. Unter anderem sagte er: Der Grundfehler der heutigen sozialen Missstände ist die ungleiche Verteilung des durch die Produktion neu geschaffenen Wertes. Während jeder neue Wert durch die Arbeit hervorgerufen wird, wird diese mit dem Lohne, welcher nur den dürftigsten Anforderungen der Arbeiter entspricht, abgefunden und der Reingewinn fällt dann dem Unternehmer zu. 

Ähnlich großen Beifall erhielt der Buchdrucker Konrad Groß, der unter anderem sagte: Wir sind überzeugt und sprechen diese unsere Überzeugung mit vollem Bewusstsein aus, dass die Besserung unserer traurigen Lage nur von unserer eigenen besseren Erkenntnis abhängt, und dass wir folglich nur, indem wir als große sozialdemokratische Partei auftreten, uns selbst helfen können. 

Nach der Gründung des Wiener Arbeiterbildungsvereins kam es zur Bildung Dutzender lokaler Arbeiterbildungsvereine in allen Teilen Wiens – der erste entscheidende Schritt zur Entfaltung der Arbeiterbewegung vor der Parteigründung in Hainfeld.