Bibliotheken in kommunaler Trägerschaft können in Österreich – im Gegensatz zu den meisten angelsächsischen und skandinavischen Ländern, aber auch zu einzelnen deutschen Städten – auf keine lange Tradition zurückblicken. Hierzulande liegen die Wurzeln der öffentlichen Büchereien in der Volksbildungsbewegung, die in Vereinen organisiert war, und in der sich die Interessen des liberalen Bürgertums mit jenen der noch jungen Arbeiterbewegung trafen. Denn Bildung und der Kampf gegen Analphabetismus standen von Beginn an im Zentrum der Arbeiterbewegung und die ersten Arbeitervereine organisierten sich in Form von Bildungs- und Lesevereinen.
Der 1887 gegründete Wiener Volksbildungsverein errichtete bis 1914 ein Büchereisystem mit 27 Zweigstellen, die jährlich etwa zwei Millionen Entlehnungen verzeichneten. Der Verein betrieb auch Garnisonsbibliotheken, Gefangenenhausbibliotheken, Krankenhausbüchereien, Lehrlingsbüchereien und eine Lesehalle im Volksheim Ottakring.
Eine der ersten Maßnahmen der neuen Behörde war die Erstellung von Sperrlisten. Insgesamt wurden 1.500 Titel auf den Index gesetzt, psychoanalytische Schriften ebenso wie Werke von Boccaccio, Honoré de Balzac, Fjodor Michailowitsch Dostojewskij, Alfred Döblin, Gerhard Hauptmann, Johann Gottfried Herder, Immanuel Kant, Karl Kraus, D.H. Lawrence, Jean-Jacques Rousseau oder Kurt Tucholsky. Bemerkenswert an dieser Zeit der Unkultur ist einzig und allein die Tatsache, dass die Kommunalisierung des öffentlichen Büchereiwesens unter einem autoritären Regime vollzogen wurde, das auf den Strukturen der sozialdemokratischen Arbeiterbüchereien aufbaute.
Die Kommunalisierung der Bibliotheken wurde in der NS-Zeit weiter vorangetrieben und die bis dahin unter Spesenersatz tätigen Mitarbeiter erhielten fest besoldete Dienstposten. Die Nationalsozialisten führten auch die Bezeichnung "Städtische Büchereien" ein. Natürlich wurde die literarische Säuberungspolitik sofort nach dem "Anschluss" intensiviert und sämtliche im Bestand verbliebenen jüdischen Autoren verbannt.
1945 boten die Städtischen Büchereien ein desolates Bild. Zum Zeitpunkt der Befreiung waren nur noch 23 Zweigstellen in Betrieb, und vom dichten Netz der Arbeiterbüchereien war lediglich ein Drittel übriggeblieben.
Durch den Verzicht der Sozialdemokratie auf Rückgabe der Arbeiterbüchereien konnte die Kommunalisierung beibehalten werden und die Städtischen Büchereien wurden erstmals Teil einer demokratischen Stadtverwaltung.
Auf den Buchbestand hatten die Säuberungsaktionen zweier Diktaturen allerdings verheerende Auswirkungen gehabt, und durch Kriegseinwirkungen war überdies auch ein Teil des noch verbliebenen Buchbestandes unbrauchbar geworden. Die Buchbeschaffung und die Instandsetzung der Zweigstellen zählten deshalb zu den vordringlichsten Aufgaben der Nachkriegsjahre.
Seit den 1950er Jahren wurden in manchen neu errichteten Gemeindebauten wieder Büchereien eingeplant. Weitere Zweigstellen entstanden in Volksheimen und Häusern der Begegnung und bald konnten die Städtischen Büchereien mit der Zahl ihrer Zweigstellen wieder an das Arbeiterbüchereiwesen der Ersten Republik anknüpfen. Besonderen Wert legte man auch auf den gleichmäßigen Ausbau der Kinder- und Jugendbibliotheken, weshalb alle Zweigstellen mit einer eigenen Abteilung für Kinder und Jugendliche ausgestattet wurden.
Eine Besonderheit war auch die als praktische Literaturförderung gedachte Beschäftigung von Autoren, die auf diese Weise ihr literarisches Schaffen mit dem "Brotberuf" des Bibliothekars absichern konnten. Unter den schreibenden MitarbeiterInnen der Städtischen Büchereien finden sich u.a. Walter Buchebner, Christine Busta, Rudolf Felmayer, Gerhard Fritsch, Franz Hiesel, Richard Kovacevic, Eva Loewenthal, Karl Anton Maly, Wilhelm Meissel, Margret Neuhauser-Körber, Herbert Wadsack und Paula Weinhengst.
Im Rahmen einer Neuordnung der Geschäftsgruppeneinteilung des Wiener Magistrates wurden die "Städtischen Büchereien" 1979 aus dem Kulturamt ausgegliedert und in die neu geschaffene Magistratsabteilung 13 – "Bildung und außerschulische Jugendbetreuung" – integriert.
Auf einigen Gebieten betraten die "Städtischen Büchereien" komplettes Neuland. So etwa wurden seit Ende der 1950er Jahre Stadtrandgebiete und Siedlungsgebiete ohne Zweigstellen durch Bücherbusse versorgt. Mit der Übernahme von Lehrlingsbüchereien in Berufsschulen und der Einrichtung von Spitalsbüchereien wurden weitere Formen der Büchereiarbeit etabliert. Im Jahr 2003 zog sich die Stadt Wien allerdings aus der Trägerschaft der Spitals- und Lehrlingsbüchereien wieder zurück.
Nachdem die alte Hauptbücherei in der Skodagasse 20 im 8. Bezirk bereits seit langem an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen war, entschloss sich die Stadt Wien zur Errichtung eines neuen Hauptgebäudes am Urban-Loritz-Platz im 7. Bezirk.
Der markante, 150 Meter lange Bau direkt über der U-Bahn-Station "Burggasse-Stadthalle" wurde nach einem Entwurf des österreichischen Architekten Ernst Mayr errichtet und am 7. April 2003 von Bürgermeister Michael Häupl und Vizebürgermeisterin Grete Laska feierlich eröffnet.
Die neue Hauptbibliothek bietet 300.000 Medien – 240.000 Bücher und 60.000 audiovisuelle Medien – sowie nationale und internationale Zeitungen und Zeitschriften, über 100 Benutzer-PCs (kostenlose Internetzugänge und Datenbanken, Katalogrecherche), 160 Studien- und Schmökerplätze und 18 Audio- und Videoplätze.
Der Gesamtbestand der Büchereien Wien beträgt etwa 1,59 Millionen Medien in 40 Zweigstellen, die eine Quote von 5,9 Millionen Entlehnungen durch etwa 171.000 BenützerInnen erzielen.
In der ehemaligen Hauptbücherei in der Skodagasse wurde eine Musikschule der Stadt Wien eingerichtet.
Hauptbücherei Wien
7., Urban-Loritz-Platz 2a
Öffnungszeiten: Mo–Fr 11–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr
Literatur: Herbert Exenberger, Die Wiener Arbeiterbüchereien. Ihre Geschichte und ihre kulturellen Leistungen im Dienste der Wiener Volksbildung, 1968; Heimo Gruber, Bücher aus dem Schutt. Die Wiener Städtischen Büchereien 1945–1950, 1987; Alfred Pfoser, Literatur und Austromarxismus, 1980; ders., Die Wiener Städtischen Büchereien. Zur Bibliothekskultur in Österreich, 1994; Alfred Pfoser und Friedrich Stadler, Die verbrannten Bücher, 1983; Karin Steinlechner, Abschnürung und Weltoffenheit. Der Aufbau des Buchbestandes der Wiener Städtischen Büchereien nach 1945, 1995.