Die Pläne für das im Auftrag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in den Jahren 1909 bis 1910 errichtete Druckerei- und Bürogebäude stammten von den Architekten und Otto-Wagner-Schülern Hubert und Franz Gessner, die der SDAP eng verbunden waren. Hubert Gessner, der mit Victor Adler persönlich befreundet war, entwarf z.B. auch die Pläne für den Reumannhof und für das Arbeiterheim Favoriten.
Das Vorwärtsgebäude war von 1910 bis 1934 Sitz der Parteizentrale, des Vorwärts-Verlages und – zeitweise – auch verschiedener anderer Organisationen (Schutzbund, Zentralstelle für das Bildungswesen, diverse Jugendorganisationen etc.).
Im Vorwärts-Haus befand sich die Redaktion der Arbeiter-Zeitung – der Chefredakteur des Blattes saß in beratender Funktion im Parteivorstand –, daneben wurden in der Druckerei des Verlages auch Das Kleine Blatt, die satirische Zeitschrift Kuckuck und die "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung" produziert.
Vor 1914, als Wien eine wichtige Station russischer Emigranten war, haben Persönlichkeiten wie Leo Trotzki, Bucharin oder Lenin Victor Adler im Vorwärtsgebäude besucht und auch das nahegelegene "Café Rüdigerhof" häufig frequentiert (Podbrecky, 2003).
Der Sitz der SDAP-Zentrale wurde bereits am 9. Februar 1934 von der Exekutive besetzt. Die Alarmabteilung der Polizei fuhr in drei Autos vor, begleitet von einem Großaufgebot von Kriminalbeamten. Als Vorwand für diesen Überfall diente die Behauptung, der Republikanische Schutzbund, der seit 31. März 1933 offiziell verboten war, habe im Vorwärtsgebäude Waffen versteckt.
Die Polizei blieb bis zum 11. Februar im Haus, tags darauf wurden alle sozialdemokratischen Organisationen und Publikationen ohnedies verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg übersiedelte die neugegründete SPÖ in ihr heutiges Domizil in der Löwelstraße.
Im Vorwärtsgebäude waren bis 1986 wiederum die Druckerei und die Büros des Vorwärts-Verlages untergebracht, der die Arbeiter-Zeitung und zahlreiche andere sozialistische Publikationen produzierte.
Nachdem der Vorwärts-Verlag in das neue Büro- und Druckereizentrum Viehmarktgasse 4 im 3. Bezirk übersiedelt war, wurde der Großteil des nicht mehr den Anforderungen entsprechenden Verlagsgebäudes 1986 abgebrochen und an seiner Stelle ein Hotel errichtet.
Heute existiert nur noch der denkmalgeschützte mittlere Straßentrakt. Die expressive Eleganz des Gebäudes, die Zeichenhaftigkeit des markanten Treppengiebels mit der dekorativ gestalteten großen Uhr, die darüber gelegene Ringkrone und die beiden 1910 von Anton Hanak geschaffenen Sandsteinfiguren "Arbeiter" und "Arbeiterin" sind immer noch beeindruckend. Im Erdgeschoss ist das Haus mit keramischem Material verkleidet.
Seit 1989 sind der Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung mit dem "Archiv der österreichischen Arbeiterbewegung", die "Stiftung Bruno Kreisky Archiv" und Teile des Dr.-Karl-Renner-Instituts im alten Vorwärtsgebäude untergebracht. Im ersten Stock befindet sich das kaum veränderte Sitzungszimmer des Parteivorstandes und daneben das Büro von Zentralsekretär Robert Danneberg.
Literatur : Marion Gusel, Die Bedeutung der sozialdemokratischen Presse und der Druck- und Verlagsanstalt "Vorwärts" für die Entwicklung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs, 1991; Wolfgang Maderthaner, "Vorwärts". Das Haus an der Wienzeile, 1995; Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.