Volkstheater

7., Neustiftgasse 1

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Das Volkstheater wurde von Wiener Bürgern, darunter dem Dramatiker Ludwig Anzengruber und dem Möbelfabrikanten Thonet, als bürgerliches Gegenstück zum Hofburgtheater mit dem Anspruch gegründet, aktuelle Zeitstücke, Volksstücke, Klassiker und österreichische Dramen einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Der Bau wurde in den Jahren 1887 bis 1889 von den erfolgreichsten und meistbeschäftigten Theaterarchitekten ihrer Zeit, Ferdinand Fellner und Hermann Helmer, im Stil des Historismus errichtet. Die opulent dekorierten, späthistoristischen Bauten der beiden Stararchitekten zeichneten sich durch funktionelle Klarheit aus und fanden in zahlreichen Städten der Monarchie Nachahmung.

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Als erster Theaterbau entsprach das Volkstheater überdies den nach den katastrophalen Theaterbränden in Nizza und Wien neuerlassenen Sicherheitsvorschriften und wurde beispielsweise von Anfang an ausschließlich elektrisch beleuchtet.

Eröffnet wurde das neue, im damaligen Stadterweiterungsgebiet gelegene Haus 1889 mit der Uraufführung von Anzengrubers "Der Fleck auf der Ehr'". Künstlerische Hochblüten erlebte das Volkstheater in den 1920er Jahren unter den Direktoren Alfred Bernau (1918–24) und Rudolf Beer (1924–32), die nicht nur einen aufregenden Spielplan aus Klassikern und modernen Stücken boten, sondern auch die bedeutendsten Schauspieler, Regisseure und Bühnenbildner ihrer Zeit an das Haus holten, sowie in den 1950er und 1960er Jahren, in denen Direktor Leon Epp (1952–68) mit seinem Leitspruch "Man muss es wagen" die wichtigsten zeitkritischen Stücke nach Wien brachte und die mutigsten Klassikerinterpretationen wagte.

Das Bauwerk, das in der NS-Zeit verschandelt und im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde, erstrahlt seit seiner aufwendigen Restaurierung in den Jahren 1980/81, bei der der Zuschauerraum und die Fassade in den ursprünglichen Zustand versetzt und die zerstörte Kuppel neu aufgebaut wurden, wieder in altem Glanz. Trotz einer Reduzierung der Sitzplätze im Sinn größerer Bequemlichkeit und besserer Sicht gehört das Volkstheater mit seinen fast 1.000 Sitzplätzen immer noch zu den größten deutschsprachigen Sprechtheatern.

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Das Volkstheater ist das erste große österreichische Theater, das von einer Frau geleitet wurde. 1988 übernahm Emmy Werner den Posten der Direktorin; die Eröffnungspremiere jeder Saison war einer großen Frauengestalt der Weltliteratur gewidmet. Nachfolger der Langzeitdirektorin wurde mit Beginn der Saison 2005/06 der Regisseur Michael Schottenberg. Ab Beginn der Spielzeit 2015/16 leitete die frühere Intendantin des Schauspielhauses Graz, Anna Badora, das Volkstheater als neue künstlerische Direktorin, ihr folgt ab 2020/21 der deutsche Schauspiel- und Opern-Regisseur Kay Voges.

Unter Direktor Leon Epp wurde Anfang 1954 das Volkstheater in den Außenbezirken als eine Aktion der Wiener Arbeiterkammer gegründet. Diese Tournee an die unterschiedlichsten Spielstätte in den Wiener Bezirken hat es mittlerweile auf mehr als 10.000 Aufführungen gebracht.

Der nunmehr von der Stadt Wien – unter Beteiligung der AK – finanzierte kulturpolitische Leitgedanke ist, jenen Besucherschichten, die sonst nur schwer zu erreichen sind, das Theater "vor die Haustüre" zu bringen. Derzeit werden pro Saison unter der künstlerischen Verantwortung des Volkstheaters fünf Produktionen – z.T. auch Koproduktionen mit der freien Wiener Theaterszene – an mindestens 21 Spielorten gezeigt.

Volkstheater
7., Arthur-Schnitzler-Platz 1
Tel.: 521 11 - 0

Literatur: Karin Breitenecker, Es muß gewagt werden, 1991; Oskar Maurus Fontana, Volkstheater Wien, 1964; Eva Maria Hanappi, 50 Jahre Volkstheater in den Außenbezirken. Das ungeliebte Erbe, 2004; Jürgen Hein, Das Wiener Volkstheater, 1997; Petra Rosar, Das Deutsche Volkstheater als NS-Unterhaltungstheater von 1938–1944, 2001.