Austerlitz, Friedrich

25.4.1862, Hochlibin/Vysoká Libyne (Böhmen) – 5.7.1931, Wien

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Austerlitz ist eine Arbeitskraft allerersten Ranges, zieht wie ein Roß und versteht sofort, was man will. Er schreibt nur noch zu gebildet.
Aus einem Brief Victor Adlers an Friedrich Engels, 23. Januar 1895


Der gelernte Handelsgehilfe Friedrich Austerlitz schloss eine Ausbildung bei der Firma Gerngroß ab. Als er für geregelte Arbeitszeiten im Handel und für die Sonntagssperre der Geschäfte eintrat, wurde er 1890 aus dem "Kaufmännischen Verein", der von den Unternehmern beherrschten Organisation der Handelsangestellten, ausgeschlossen. Er gründete daraufhin den "Verein der Handlungsgehilfen" und die Zeitung "Der Handlungsgehilfe". Victor Adler wurde auf seine hervorragend geschriebenen Artikel aufmerksam und holte ihn 1895 zur Arbeiter-Zeitung, deren Chefredakteur Austerlitz für mehr als drei Jahrzehnte war.

 

R_TF_Zeichnung_BO5Sein besonderes Interesse galt neben dem Journalismus v.a. dem Rechtswesen. Als einziger Nichtjurist wurde er in der Monarchie in den Staatsgerichtshof und in der Republik in den Verfassungsgerichtshof berufen. Von 1919 bis 1930 gehörte Austerlitz der Konstituierenden Nationalversammlung und dem Nationalrat an. In der sozialdemokratischen Bewegung erwarb er sich v.a. durch sein engagiertes Auftreten für das allgemeine Wahlrecht, gegen die Unterdrückungsmaßnahmen im Ersten Weltkrieg und für die Pressefreiheit großes Ansehen.

Austerlitz war ein Vielschreiber. Er verfasste täglich ein bis zwei lange Artikel und diverse Glossen, redigierte die Parlamentsberichte, las und korrigierte die Bürstenabzüge und besorgte den Umbruch. Nebenbei verschlang er praktisch alle anderen Zeitungen. Die Redaktion verließ er meist erst gegen Morgen.

 

Wenn man will, war die Schule Austerlitz eine harte Schule, schrieb Jacques Hannak 1952. Wehe, wenn er einem verhatschten Nebensatz, einem schlecht gesetzten Beistrich, einer verschmockten Feuilletonwendung begegnete, da konnte er toben und rasen, da empfand der die Banalität des Stils als eine ihm persönlich angetane Kränkung.

 

Nach den Freisprüchen im Schattendorfer Prozess schrieb Austerlitz in seinem Leitartikel vom 15. Juli 1927 folgende prophetische Sätze: Nach Ansicht dieser Geschworenen bedeutet es also gar nichts, auf Menschen zu schießen; das ist, wenn die Schießenden Frontkämpfer sind, wohl ein erlaubtes Jagdvergnügen! Die aber den Eid, den sie geleistet haben, so schnöde mit Füßen treten; die sich über Recht und Unrecht so frech hinwegsetzen, die sind keine Geschworenen, sind ehrlose Gesetzbrecher, denen für ihren schamlosen Freispruch Haß und Verachtung aller rechtlich denkenden Menschen gebührt. [...]
Die bürgerliche Welt warnt immerzu vor dem Bürgerkrieg; aber ist diese aufreizende Freisprechung von Menschen, die Arbeiter getötet haben, nicht schon selbst der Bürgerkrieg? Wir warnen sie alle, denn aus einer Aussaat von Unrecht, wie es gestern geschehen ist, kann nur schweres Unheil entstehen [...].

Austerlitz selbst sollte die Katastrophe nicht mehr miterleben. Alle Geräusche, die sonst das Zeitungsgebäude durchlaufen, sind verstummt wie die Stimme des großen Chefredakteurs; still sind alle Maschinen und alle Menschen, schrieb die Arbeiter-Zeitung am 9. Juli 1931.

Nachfolgekandidaten waren Julius Braunthal und der Wirtschaftsredakteur Otto Leichter, im Gespräch war auch ein Redaktionsausschuss unter der Leitung Otto Bauers. Die Wahl fiel schließlich auf Oscar Pollak.

Kurz nach Austerlitz' Tod wurde einer der größten Gemeindebauten der Ersten Republik in der Baumgasse 29-41 im 3. Bezirk nach ihm benannt. 

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Die Austrofaschisten änderten den Namen später jedoch in Rabenhof. Dabei blieb es auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. 1949 wurde statt dessen die in den Jahren 1932/33 nach Plänen von Gottlieb Michal errichtete Wohnhausanlage der Gemeinde Wien, 16., Maroltingergasse 78-82, nach dem Journalisten und Politiker Austerlitzhof benannt. Die Austerlitzgasse in Donaustadt trägt ihren Namen seit 1993.

2017/18 zeigte der Waschsalon Karl-Marx-Hof unter dem Titel "Presse und Proletariat" eine Sonderausstellung über die Sozialdemokratische Zeitungen im Roten Wien.

Werk: Preßfreiheit und Preßrecht, 1902; Das neue Wahlrecht, 1907; Austerlitz spricht, 1931.
Literatur: Jacques Hannak, Im Sturm eines Jahrhunderts, 1952; Michael Schmolke (Hrsg.), Wegbereiter der Publizistik in Österreich, 1992.