Revolutionäre Sozialisten

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Nach den Februarkämpfen von 1934 und dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei sowie aller übrigen sozialdemokratischen Organisationen entstanden zunächst mehrere, meist aus Jugendlichen oder Angehörigen von sozialdemokratischen Nebenorganisationen zusammengesetzte Gruppen, die sich zur "Vereinigten Sozialistischen Partei Österreichs" (VSPÖ) zusammenschlossen und ab Ende 1934 "Revolutionäre Sozialisten" nannten.

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Allmählich konnte der ursprünglich auf Wien konzentrierte Kader der Revolutionären Sozialisten auch auf andere Bundesländer ausgeweitet werden und schließlich kamen auch Kontakte zur Parteileitung der Sozialdemokraten um Otto Bauer im Brünner Exil zustande.

Die Revolutionären Sozialisten grenzten sich sowohl gegen die KPÖ als auch gegen die "reformistischen Illusionen" vieler kompromissbereiter Sozialdemokraten ab. Neben der Verbreitung illegaler Bücher und Zeitschriften wurden auch zahlreiche Flugblätter und Streuzettel produziert und verteilt; es gab sogar Tarnbroschüren, die sich nach außen hin ganz harmlos als Filmprogramme (Luis Trenker, "Der Freiheitskampf"), Taschenfahrpläne, "Anleitungen zum Skifahren im Alpengelände", kleine Literaturbücher (Cicero) oder Werbebroschüren ("Sporthaus Dachstein") ausgaben.

Revolutionaere_Sozialisten_TF_SPOE_BuecherIn den Jahren 1935 und 1936 versuchte das austrofaschistische Regime den Organisationsapparat der Revolutionären Sozialisten mit einer ganzen Serie von Prozessen zu zerschlagen. Den Höhepunkt dieser Verfolgungswelle bildete der sogenannte "Große Sozialistenprozess" im März 1936.

Innerhalb der derart geschwächten Organisation stand ab 1936 die Strategiediskussion zwischen Joseph Buttinger und Otto Leichter um den Stellenwert der bürgerlichen Demokratie im Vordergrund.

Unter den weit härteren Bedingungen des NS-Terrors ab 1938 konnten die Revolutionären Sozialisten ihre zentrale Organisation nicht mehr aufrechterhalten. Besonders verhängnisvoll wirkte sich die Tätigkeit von Spitzeln und Verrätern wie dem ehemaligen Redakteur der Arbeiter-Zeitung Hans Pav aus, der zahlreiche Genossen an die Gestapo auslieferte.

Die meisten der weiterhin aktiven Funktionäre, darunter bemerkenswert viele Frauen, konzentrierten ihre Tätigkeit in den Jahren 1938 bis 1945 auf die Unterstützung von Verfolgten und deren Angehörigen; die seit 1934 zu diesem Zweck bestehende Sozialistische Arbeiterhilfe (SAH) wurde damit gleichsam zum Ersatz für die Parteiorganisation.

1945 wählte die neugegründete Sozialistische Partei Österreichs den Zusatznamen "Sozialdemokraten und Revolutionäre Sozialisten", der jedoch bald wieder aufgegeben wurde.

Literatur: Joseph Buttinger, Am Beispiel Österreichs, 1953; Otto Leichter, Zwischen zwei Diktaturen. Österreichs Revolutionäre Sozialisten 1934–38, 1968; Peter Pelinka, Erbe und Neubeginn. Die Revolutionären Sozialisten in Österreich 1934–38, 1981; Georg Tidl, Streuzettel. Illegale Propaganda in Österreich 1933–1939, 2005; Fritz Weber, Der kalte Krieg in der SPÖ. Koalitionswächter, Pragmatiker und revolutionäre Sozialisten 1945–1950, 1986; Franz West, Die Linke im Stände staat Österreich, Revolutionäre Sozialisten und Kommunisten 1934–38, 1978; Walter Wisshaupt, Wir kommen wieder. Eine Geschichte der Revolutionären Sozialisten Österreichs 1934–1938, 1967.