Wilhelm Börner studierte in Wien Philosophie, Pädagogik und Germanistik. Zu seinen wichtigsten Lehrern zählte der Philosoph Friedrich Jodl, der die Bewegung "Ethische Kultur" begründete und für einen areligiösen Moralunterricht eintrat. Unter seinem Einfluss schloss sich Börner der "Ethischen Gemeinde" an, die er von 1921 bis zu ihrem Verbot im Jahr 1938 auch leitete. Erklärter Zweck der "Ethischen Gemeinde" war es, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Menschenliebe bei denen zu wecken, die "guten Willens" sind, die Mitglieder zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen, in welcher sie seelische Festigung und zugleich Förderung in allen Lagen des Lebens, ferner Belehrung in ethischen Fragen und Ansporn zu ethischem Streben finden sollen.
Zu den bekanntesten Mitgliedern zählten unter anderem Marianne Hainisch, Rosa Mayreder und Moritz Schlick. Börner stand aber auch in einem regen intellektuellen Austausch mit Karl Ausch, Julius Braunthal, Viktor E. Frankl, Marie Jahoda, Karl Kautsky, Josef Luitpold Stern und Edgar Zilsel.
In seiner 1918 erschienenen Schrift "Erziehung zur Friedensgesinnung" vertrat der Pazifist Börner das Postulat, dass eine Kultur, die einen so furchtbaren Krieg hervorbringen konnte, von Grund auf erneuert werden müsse.
Börner, der den Begriff der "weltlichen Seelsorge" prägte, widmete sich auch der Volksbildung, gründete eine "Beratungsstelle für Lebensmüde" und half nach dem Februar 1934 verfolgten Sozialdemokraten. Im März 1938 wurde er von der Gestapo verhaftet, auf Intervention von John L. Elliot, dem Direktor der "Ethical Society" in New York, nach zwei Monaten allerdings wieder freigelassen. Börner musste das Land jedoch unverzüglich verlassen und emigrierte in die USA.
Im Oktober 1949 kehrte er nach Wien zurück und reaktivierte die Ethische Gemeinde. Die Börnergasse in Döbling ist seit 1958 nach ihm benannt.
Werk: Die "Ethische Gesellschaft" in Österreich, 1910; Friedrich Jodl. Eine Studie, 1911; Erziehung zur Friedensgesinnung, 1918; Politische Zeitfragen in ethischer Beleuchtung, 1935; Die Grundgedanken der ethischen Bewegung (gemeinsam mit Felix Adler), 1936; Antisemitismus, Rassenfrage, Menschlichkeit, 1936; Zur ethischen Lebensgestaltung, 1937; Kritischer Optimismus, 1971.
Literatur: Eckart Früh, Wilhelm Börner oder: Wien - New York - retour. In: Eine schwierige Heimkehr. Österreichische Literatur im Exil 1938-1945. Hrsg. von Johann Holzner, Sigurd Paul Scheichl und Wolfgang Wiesmüller, 1991; ders., "Niemals ein Liberaler, sondern immer ein Sozialist, wenn auch nicht Sozialdemokrat", 1995.