Kautsky, Karl

18.10.1854, Prag – 17.10.1938, Amsterdam

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Der Sohn des Theatermalers Johann Kautsky und der Schauspielerin und Autorin Wilhelmine Kautsky kam als Kind mit seinen Eltern nach Wien, studierte hier Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie und trat bereits 1875 der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei. Von 1880 bis 1882 war Kautsky Mitarbeiter des Privatgelehrten Karl Höchberg in Zürich und begann sich hier mit der marxistischen Theorie zu beschäftigen. 1881 lernte er in London Karl Marx und Friedrich Engels auch persönlich kennen.

Kautsky, der von 1883 bis 1917 die Zeitschrift der Zweiten Internationale, die "Neue Zeit", leitete und 1885 nach London übersiedelte, entwickelte sich zu einem führenden Theoretiker des Marxismus und wichtigen Interpreten der Werke von Karl Marx, dessen Schriften er auch herausgab.

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1891 verfasste Kautsky, der mittlerweile in Deutschland lebte, den Entwurf des "Erfurter Programms" der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), das sich zum Ziel der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft bekannte. Kautsky bekämpfte sowohl die extremen Parteilinken (Karl LiebknechtRosa Luxemburg) als auch die rechtsstehenden "Revisionisten" um Eduard Bernstein, vertrat schon zu Kriegsbeginn eine gemäßigte Antikriegshaltung und schloss sich 1917 der links der SPD stehenden "Unabhängigen Sozialistischen Partei Deutschlands" (USPD) an.

1918/19 wirkte Kautsky als Staatssekretär im Auswärtigen Amt; 1922 kehrte er zur SPD zurück und war 1925 Mitverfasser des "Heidelberger Programms" der deutschen Sozialdemokraten, das sich zwar auf die Grundsätze des "Erfurter Programms" berief, allerdings klar zum demokratischen Reformweg bekannte.

Kautsky, der seit 1924 wieder in Wien lebte, widmete sich im Alter in erster Linie der philosophisch-theoretischen Arbeit und nahm auf diese Weise auch Einfluss auf die programmatischen Grundlagen der österreichischen Sozialdemokratie, u.a. war er auch Autor der Monatsschrift Der Kampfdem theoretischen Organ der Sozialdemokratie. Nach der Besetzung Österreichs emigrierte er nach Amsterdam, wo er nur wenige Monate später starb. Sein Sohn Benedikt Kautsky setzte die Arbeit seines Vaters als Theoretiker des Marxismus fort.

1994 wurden die Kautskygasse in Wien-Floridsdorf und der in den Jahren 1972-1975 errichtete Karl-Kautsky-Hof, 22., Ziegelhofstraße 36, nach dem Theoretiker der Arbeiterbewegung benannt.

Werk (Auswahl): Karl Marx' ökonomische Lehren, 1887; Thomas More und seine Utopie, 1888; Gegen die Diktatur, 1889; Das Erfurter Programm, 1892; Die Vorläufer des neueren Sozialismus, 2 Bände, 1895; Friedrich Engels, 1895; Die Vereinigten Staaten Mitteleuropas, 1916; Die Befreiung der Nationen, 1917; Die Diktatur des Proletariats, 1918; Habsburgs Glück und Ende, 1918; Die proletarische Revolution und ihr Programm, 1922; Die materialistische Geschichtsauffassung, 2 Bände, 1927; Grenzen der Gewalt, 1934.
Literatur: Dick Geary, Karl Kautsky, 1987; Beate Häupel, Karl Kautsky – seine Auffassungen zur politischen Demokratie, 1993; Reinhold Hünlich, Karl Kautsky und der Marxismus der II. Internationale, 1981; Otto Jenssen, Der lebendige Marxismus (Festschrift), 1924; Benedikt Kautsky (Hrsg.), Friedrich Engels' Briefwechsel mit Karl Kautsky, 1955; Karl Kautsky Jr. (Hrsg.), August Bebels Briefwechsel mit Karl Kautsky, 1971; Hans-Jürgen Mende, Karl Kautsky. Vom Marxisten zum Opportunisten, 1985; Karl Renner, Karl Kautsky, 1929; Jürgen Rojahn (Hrsg.), Marxismus und Demokratie, 1992; Massimo L. Salvadori, Sozialismus und Demokratie, 1982.