Leichter, Käthe (geb. Pick)

20.8.1895, Wien – 17.3.1942, ermordet in Bernburg/Saale (Sachsen-Anhalt)

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Marianne Käthe Pick war vermutlich die erste Österreicherin, die zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert wurde. Zwischen 1914 und 1918 studierte sie Rechts- und Staatswissenschaften in Wien und Heidelberg; 1918 schloss sie ihr Studium in Heidelberg ab, da dies in Wien zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich war. Schon damals gehörte sie zu den führenden Vertreterinnen der Linken um Friedrich Adler, die den Krieg leidenschaftlich ablehnten.

Im Jahr 1919 wurde Käthe Leichter wissenschaftliche Mitarbeiterin Otto Bauers in der Staatskommission für Sozialisierung und Konsulentin im Finanzministerium. Ihre Ehe mit dem Journalisten Otto Leichter und die Geburt ihrer Kinder änderte nichts an ihrem politischen Engagement.

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Von 1925 bis zum Februar 1934 leitete sie das neugeschaffene Referat für Frauenarbeit in der Wiener Arbeiterkammer und verfasste zahlreiche Zeitungsessays, Aufsätze und Bücher zu Frauenthemen. Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Studien waren nicht nur wegweisend für viele gesellschaftspolitische Reformen der Ersten Republik, sie haben bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren. 1927 etwa erschien die erste große Untersuchung des Frauenreferats zum Thema "Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich", die die Auswirkungen der Massenarbeitslosigkeit auf das Leben der Frauen thematisierte.

Daneben war Käthe Leichter im Frauenkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und in der Bezirksorganisation Innere Stadt tätig und wurde 1932 als erste Frau in den Betriebsrat der Arbeiterkammer gewählt. Käthe Leichter war eine ungemein beliebte Vortragende, weil sie es verstand, komplizierte Sachverhalte allgemein verständlich und überzeugend darzulegen. Im Mittelpunkt ihrer politischen Aktivitäten stand auch die Auseinandersetzung mit dem Faschismus, wobei sie die abwartend-zögerliche Haltung der SDAP-Führung scharf kritisierte.

Nach dem Februar 1934 gehörten sie und ihr Mann Otto Leichter zu den Gründern der Revolutionären Sozialisten. Käthe Leichter leitete in der illegalen Organisation zuerst das politische Bildungswesen, dann den Nachrichtendienst.

Während Otto Leichter im Mai 1938 die Flucht aus Österreich gelang, wurde Käthe Leichter mit ihren Kindern daran gehindert. Als die Gestapo drohte, ihre alte Mutter als "Geisel" zu nehmen, stellte sie sich der Polizei. Nach 18 Monaten Haft wurde Käthe Leichter zu 7 Monaten Kerker verurteilt, aber nicht freigelassen, sondern ins Frauen-KZ Ravensbrück überstellt. Am 17.3.1942 wurde Käthe Leichter im Zuge der NS-Euthanasie "Aktion 14f13" in der Psychiatrischen Anstalt Bernburg/Saale ermordet.

In ihrem letzten Brief an die Familie heißt es: Um mich keine Sorgen! Ich bin gut beieinander und meine Gedanken sind stets in tiefster, unwandelbarer Liebe bei meinen lieben drei Buben... 

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Im Rahmen einer Gedenkfeier im New Yorker Exil sagte Wilhelm Ellenbogen: Es entspräche nicht der Würde und nicht dem Charakter Käthe Leichters, an ihrem Grabe weibisch zu klagen. Sie ist ein Held gewesen... [...] ihr Bild vor Augen gehen wir frohen Mutes an die harte Arbeit der Gegenwart, um unseren Anteil an dem geschichtlichen Aufbauwerk der Zukunft zu leisten.

Zum Gedenken an Käthe Leichter wurde auf Anregung ihres ersten Biographen Herbert Steiner der Käthe-Leichter-Preis (Österreichischer Staatspreis für die Frauengeschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung) gestiftet und 1991 erstmals vergeben.

Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2000 wurde der Staatspreis des Frauenministeriums zunächst eingespart und erst 2005 wieder vergeben, und zwar an die Sozialwissenschaftlerin Edit Schlaffer, Leiterin der Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für Politik und zwischenmenschliche Beziehungen. Der Käthe-Leichter-Staatspreis wird nun wieder jährlich vom Frauenministerium vergeben. Jährlich abwechselnd stiften das Wirtschaftsministerium und das Bildungsministerium den "Käthe-Leichter-Anerkennungspreis". Die AK Wien und die Nationalbank vergeben ebenfalls weiterhin je einen Preis.

Der in den Jahren 1985 bis 1988 nach Plänen von Theophil Melicher, Georg Schwalm-Theiss und Horst Gressenbauer errichtete Wohnbau mit 176 Wohnungen, 13., Auhofstraße 152-156, wurde 1988 Käthe-Leichter-Hof benannt. Stilistisch erinnert der aus drei Blöcken bestehende Bau an die kommunalen Wohnhausanlagen der Ersten Republik, die Details entstammen der Formensprache der Postmoderne.

Die Käthe-Leichter-Gasse in Hietzing wurde 1949 ebenfalls nach der großen Frauenpolitikerin der Wiener Sozialdemokratie benannt.

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Im Frühjahr 2006 wurde an der Fassade des Hauses 1., Ebendorferstraße 7, in dem sich Käthe Leichters Büro befand, ein von der Künstlerin Ingeborg Kumpfmüller im Auftrag der AK gestaltetes Gedenkzeichen von der Zweiten Nationalratspräsidentin Barbara Prammer im Beisein von Käthe Leichters Sohn Henry, der damaligen ÖGB-Vizepräsidentin Renate Csörgits und der Wiener Städträtin Renate Brauner enthüllt. Das Gedenkzeichen zeigt die Initialen Käthe Leichters aus Glas mit einem eingefrästen Erinnerungstext.

Werk: Wie leben die Wiener Heimarbeiter, 1923; Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich, 1927; Handbuch der Frauenarbeit in Österreich, 1930; So leben wir..., 1932.
Literatur: Walter Göhring (Hrsg.), Käthe Leichter. Gewerkschaftliche Frauenpolitik: Historische Dimension und politische Aktualität, 1996; Otto Leichter, Briefe ohne Antwort. Aufzeichnungen aus dem Pariser Exil für Käthe Leichter 1938–1939, 2003; Herbert Steiner (Hrsg.), Käthe Leichter. Leben und Werk, 1973; ders., Käthe Leichter. Leben, Werk und Sterben einer österreichischen Sozialdemokratin, 1997; Margit Wolfsberger, Käthe Leichter. Eine Kommunikatorin der Ersten Republik, 1996.