Lindenbaum, Walter

11.12.1907, Wien – Februar 1945, KZ-Ohrdruf (Thüringen)

Head_lindenbaum_walter2_doew

L

Walter Lindenbaum verbrachte seine Jugend in der im Volksmund als "Mazzesinsel" bezeichneten Leopoldstadt. Zahlreiche Beiträge in der sozialdemokratischen Presse, etwa in der Arbeiter-Zeitung, in "Das Kleine Blatt" oder im "Arbeiter-Sonntag" zeugen von seiner frühen Verbundenheit mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei.

Bekannt wurde Lindenbaum durch sein Hörspiel "Großstadt", das am 7. Januar 1932 auf Radio Wien gesendet wurde. In seiner Lyrik und seinen literarischen Skizzen versuchte Lindenbaum, das karge Leben des Großstadtproletariats einzufangen; Schuhputzer, Kolporteure, Bettler und die in der bitteren Zeit der Arbeitslosigkeit zum täglichen Straßenbild zählenden Hofsänger waren es, die von dem sozial engagierten Schriftsteller bevorzugt dargestellt wurden. Über diese Menschen, die ihren armseligen Lebensunterhalt – oft eingewickelt in Zeitungspapier – auf der Straße organisierten, gestaltete Lindenbaum eindrucksvolle Gedichte.

Walter Lindenbaum engagierte sich auch in der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller, die eine knappe Woche vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 22. Januar 1933 in Wien gegründet wurde. Beim zweiten Autorenabend der Vereinigung, der im Juni 1933 unter dem Motto "Satire und Pathos im Klassenkampf" abgehalten wurde, trat Walter Lindenbaum neben Ernst Waldinger, Benedikt Fantner, Hans Leifhelm und Margarete Petrides als Vortragender auf. Ebenfalls im Juni 1933 war Walter Lindenbaum an der konstituierenden Generalversammlung des "Bundes junger Autoren Österreichs" beteiligt.

Nach der Niederlage der österreichischen Arbeiterbewegung blieb Walter Lindenbaum in Wien und versuchte zunächst, sich mit Reportagen über Wiener Themen und als Kabarettautor über Wasser zu halten. Neben Jura Soyfer, Peter Hammerschlag und anderen Autoren verfasste er Texte für die Kleinkunstbühne "Cabaret ABC im Regenbogen" oder die "Kleinkunst in den Colonnaden".

Die Familie Lindenbaum erhielt im August 1938 Nachwuchs und blieb deshalb fatalerweise in Wien. Walter Lindenbaum fand bei der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde eine bezahlte Tätigkeit als "Blitz-Dichter und Geburtstags-Feierer". Am 1. April 1943 wurden die Lindenbaums aus ihrer letzten Wohnung in der Novaragasse 32 im 2. Bezirk nach Theresienstadt verschleppt. Auch hier versuchte Walter Lindenbaum durch seine Mitarbeit an den kulturellen Aktivitäten das Elend, das er in seiner Lyrik schonungslos dokumentierte, etwas zu lindern. Sein Gedicht "Das Lied von Theresienstadt" etwa beginnt mit den Worten: Wir sind hier 40.000 Juden / Es war'n viel mehr an diesem Ort / Und die wir nicht nach Polen verluden / Die trugen wir in Särgen fort. 

Am 28. September 1944 wurde Walter Lindenbaum nach Auschwitz deportiert. Seine Frau Rachel und seine Tochter Ruth folgten ihm im Oktober und wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet. Für Walter Lindenbaum war der Leidensweg noch nicht zu Ende. Er wurde mit einem Evakuierungstransport von Auschwitz nach Buchenwald und später in das berüchtigte Außenlager Ohrdruf in Thüringen verlegt, wo er im Februar 1945 starb.

Die Walter-Lindenbaum-Gasse im 10. Bezirk wurde 1968 nach dem beinahe vergessenen österreichischen Schriftsteller benannt. 

Werk: Walter Lindenbaum, Von Sehnsucht wird man hier nicht fett. Texte aus einem jüdischen Leben, Hrsg. Herbert Exenberger und Eckart Früh, 1998.