Brigittenau

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Die Brigittenau erhielt ihren Namen von der katholischen Heiligen Brigitta, zu deren Ehren im Jahr 1651 bei der heutigen Jägerstraße eine kleine Kapelle errichtet worden war. Im 18. Jahrhundert wurde diese Kapelle zum Mittelpunkt eines großen Kirchweihfestes, das sich bei allen Volksschichten großer Beliebtheit erfreute. Dieser "Brigitta-Kirtag" wurde bis zum Jahr 1848 gefeiert.

Am 9. November 1848 wurde im nahe gelegenen Brigittawaldl der Sprecher der republikanischen Linken des Frankfurter Parlaments, Robert Blum, standrechtlich erschossen.

Die Brigittenau gehörte seit 1850 zur Leopoldstadt und bildete gemeinsam mit dieser den zweiten Bezirk. Der Aufschwung des von zahlreichen kleinen Wasserläufen durchzogenen Au- und Jagdgebiets erfolgte allerdings erst mit der 1884 abgeschlossenen Donauregulierung.

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Nach und nach entstanden nun zahlreiche Betriebe und Arbeitersiedlungen, und mit dem Bau der Nordbahn kam auch die Metall- und Schwerindustrie in die Brigittenau.

Im Jahr 1900 wurde die Brigittenau von der Leopoldstadt abgetrennt und mit der Ortschaft "Zwischenbrücken" zum 20. Wiener Gemeindebezirk vereint, der nun 71.000 Einwohner – gegenüber 144.000 in der Leopoldstadt – zählte. Heute umfasst die Brigittenau 5,67 km2 und etwa 86.400 Einwohner (2020).

Das frühere Industrieviertel ist heute vorwiegend Wohnbezirk.

TF_Engelsplatz_30er_BO20Neben den großen kommunalen Wohnbauten der Ersten Republik (Beerhof, 1925/26; Robert Blum-Hof, 1923/24; Gerlhof, 1930/31; Otto-Haas-Hof, 1924/25; Janecek-Hof, 1925/26; Winarskyhof, 1924-26; Wohnhausanlage Friedrich-Engels-Platz, 1930-33 etc.) dominieren die vorwiegend in den 1960er und 1970er Jahren errichteten Wohnhausanlagen beiderseits der Adalbert-Stifter-Straße, die aus dem früheren "Plankenviertel" einen modernen Wohnbezirk machten.
Mit dem 202 m hohen Millenniums-Tower besaß die Brigittenau lange Zeit das höchste Gebäude Österreichs.

An öffentlichen Einrichtungen sind v.a. das Technologische Gewerbemuseum / TGM (1980), die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (1972–1977) und das Traumazentrum Wien – ehemaliges Lorenz-Böhler Unfallkrankenhaus – (1966–1972) zu erwähnen.

Auf dem Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofes soll ab 2022 ein neuer Stadtteil entstehen, der mit Nordbrücke (1958), Floridsdorfer Brücke (1946) und Brigittenauer Brücke (1981) über drei wichtige Donauübergänge verfügt. Seit 1996 ist der 20. Bezirk durch die U6 an das Wiener U-Bahnnetz angeschlossen.

 
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Die Brigittenau war noch im frühen 20. Jahrhundert durch extreme Wohnungsnot gekennzeichnet. Bis 1910 war die Bevölkerung des Bezirks auf über 100.000 Personen angewachsen, denen allerdings nur rund 20.000 meist Kleinstwohnungen zur Verfügung standen.

Diese prekären sozialen Verhältnisse bildeten einen nahezu idealen Nährboden für das Entstehen einer starken Arbeiterbewegung. 1911 wurde der Sozialdemokratische Wahlverein Brigittenau als Vorläufer der heutigen Bezirksorganisation gegründet. Sein Sekretariat befand sich in der Wintergasse 29.

1913 wurde der beliebte Abgeordnete Franz Schuhmeier in der Halle des Nordwestbahnhofs im 20. Bezirk erschossen.

TF_Amtshaus_Brigittenau_BO20Nach dem Ersten Weltkrieg zog der erste sozialdemokratische Bezirksvorsteher Johann Janecek (1919–1927) in das 1906 von Karl Badstieber errichtete Amtshaus am Brigittaplatz ein.
 
Die Verbesserung der katastrophalen Wohnsituation zählte zu den vordringlichsten Aufgaben der neuen Bezirksverwaltung.

Bis 1934 entstanden über 4.800 neue Wohnungen im Bezirk, der bald zu den Hochburgen der Wiener Sozialdemokratie zählte.
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Es verwundert deshalb auch nicht, dass bei den Gemeinderatswahlen des Jahres 1932 die NSDAP, die in den meisten Bezirken große Stimmenzuwächse erzielte, in der Brigittenau mit 10,6% ihr drittschlechtestes Ergebnis einfuhr (Simmering 7,3%, Favoriten 10%).

Im Februar 1934 fiel die Brigittenau jedoch gänzlich aus. Die große Wohnhausanlage am Friedrich-Engels-Platz konnte problemlos besetzt werden, da niemand im Bezirk die Waffenverstecke kannte und die noch nicht verhafteten Schutzbündler in anderen Bezirken kämpften.

1935 wurde der Friedrich-Engels-Platz von den Austrofaschisten in Pater-Abel-Platz und die Winarskystraße in Kolpingstraße umbenannt; 1936 wurde das Lassalle-Denkmal, das 1928 Ecke Winarskystraße / Durchlaufstraße feierlich enthüllt worden war, abgetragen.

Die NS-Herrschaft und der Zweite Weltkrieg trafen die Brigittenau besonders hart. Von den über 15.000 Juden der Brigittenau überlebten im Bezirk selbst nur 36 Personen. Zahlreiche Wohn- und Industriebauten wurden bei den Bombenangriffen und den Kämpfen der letzten Kriegstage zerstört.

Die SPÖ erzielte bei den ersten Wahlen nach dem Zweiten Weltkrieg stolze 72% und erreichte auch bei den folgenden Wahlgängen regelmäßig das beste Bezirksergebnis von ganz Wien.

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Erster Bezirksvorsteher wurde der Sozialdemokrat Karl Michal (bis 1954). Das provisorische Bezirkssekretariat wurde zunächst in der Kaschlgasse 4 eingerichtet, ab Mai 1945 gab es Räumlichkeiten im Amtshaus.

Um dieses Provisorium so rasch als möglich zu beenden, machte sich die SPÖ Brigittenau an die Schaffung eines eigenen Heimes in der ehemaligen Volksschule in der Raffaelgasse 11. Die 1947 begonnenen Arbeiten konnten bereits im Jahr darauf abgeschlossen werden.
 
Die SPÖ stellte seit 1945 alle Bezirksvorsteher im 20. Bezirk:

Karl Michal (1945 bis 1954)
Franz Koblizka (1954 bis 1969)
Johann Stroh (1969 bis 1978)
Anton Deistler (1978 bis 1987)
Karl Lacina (1987 bis 2008)
Hannes Derfler (seit April 2008)
 
Bei der Bezirksvertretungswahl 2020 erhielten die SPÖ 45% und 27 Mandate (von 56 Mandaten), die Grünen 17,2% und 10 Mandate, die ÖVP 14,7% und 8 Mandate, die FPÖ 7,3% und 4 Mandate, die Neos 4,9% und 2 Mandate, Links 3,6% und 2 Mandate, HC 3,1% und 1 Mandat, Bier 2% und 1 Mandat sowie SÖZ 1,7% und 1 Mandat.

Bezirksorganisation der SPÖ-Brigittenau
20., Raffaelgasse 11/1
Tel.: 330 38 39

Bezirksparteivorsitzender: Erich Valentin
Bezirksvorsteherin: Christine Dubravac-Widholm

Literatur: Gerhard Blöschl, Brigittenau: gestern, heute, morgen, 1999; Felix Czeike, Brigittenau, 1981; ders., Leopoldstadt und Brigittenau, 1992; Michael Elsner, Roland-Peter Herold und Erich Valentin, Brigittenau: ein Stück Stadt, das alles hat, 1990.