Blecha, Karl

16.4.1933, Wien

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Karl "Charly" Blecha war der Sohn eines Wiener Gemeindebeamten und schon als Jugendlicher in der Sozialdemokratischen Jugendbewegung tätig; 1952 wurde er Verbandsobmann der Sozialistischen Mittelschüler (VSM), 1954 Verbandsobmann der Sozialistischen Studenten Österreichs (VSStÖ) und später Bundesvorsitzender der Jungen Generation in der SPÖ.

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Von 1955 bis 1959 war er stellvertretender Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Wien. Neben seinem Studium der Psychologie, Ethnologie und Soziologie arbeitete Blecha als Werbeleiter des Verlagskonzerns des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und war auch selbst journalistisch tätig, u.a. als Korrespondent der Tageszeitung "Neue Zeit" und als Chefredakteur des "Journals für Sozialforschung". 1962 studierte er bei René König in Köln und praktizierte am Institut für angewandte Sozialwissenschaft in Bad Godesberg.

Von 1963 bis 1975 war Blecha als Direktor des Institutes für Empirische Sozialforschung (IFES) in Wien tätig, das unter seiner Leitung zu einem der fundiertesten Forschungszentren für angewandte Sozialwissenschaft im deutschsprachigen Raum avancierte. Zu seinen wichtigsten Forschungsergebnissen gehörte der 1969 entwickelte Opinion-Leaders-Index zur Erfassung der Meinungen bestimmter Persönlichkeiten, die als Prädiktor der allgemeinen Meinungsentwicklung gedeutet werden können, und das 1970 erstellte Computermodell einer Multivarianten-Analyse zur Interpretation von Wahlergebnissen – ein Vorläufermodell der noch heute gebräuchlichen Wählerstrom-Analysen.

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Karl Blecha, den mit dem späteren Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden Bruno Kreisky eine langjährige Freundschaft verband, gehörte von 1964 bis 1989 dem Vorstand der niederösterreichischen Sozialdemokraten an, seit 1985 als stellvertretender Landesparteivorsitzender.

Von 1970 bis 1983 war er Abgeordneter zum Nationalrat und als Sprecher in Justiz-, Wissenschafts-, Kultur-, Medien- und Landesverteidigungsfragen tätig. Blecha gilt als einer der Initiatoren der Herabsetzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate, wirkte maßgeblich an allen Rechtsreformen seit 1970 mit und war an den Wahlrechtsnovellierungen ebenso beteiligt, wie an der Schul- und Hochschulreform sowie der Rundfunkreform des Jahres 1974.

Von 1975 bis 1981 war Karl Blecha Zentralsekretär der SPÖ und gehörte als solcher dem Parteipräsidium an. 1981 wurde er zum stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPÖ gewählt (bis 1990). 1983 erfolgte seine Berufung in die Bundesregierung als Innenminister. 1989 musste Karl Blecha, der auch in den Noricum-Skandal verwickelt war, im Gefolge des Lucona-Untersuchungsausschusses um den Demel-Besitzer Udo Proksch alle Ämter zurücklegen; 1993 wurde er, ebenso wie Altkanzler Fred Sinowatz und Ex-Außenminister Leopold Gratz, vom Hauptvorwurf des Amtsmissbrauches freigesprochen.

Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik gründete Karl Blecha das MITROPA-Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung, das Planungsunterlagen und Entscheidungshilfen für Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Medien erstellt. 2007 übernahm MITROPA vom ÖGB den Mehrheitsanteil am Meinungsforschungsinstitut IFES. Ab 1999 war Karl Blecha außerdem Präsident des Pensionistenverbandes Österreichs, eine Funktion, die er am 16. April 2018 – am Tag seines 85. Geburtstages – zurücklegte. Zu seinem Nachfolger als Vorsitzender des PVÖ wurde Peter Kostelka gewählt.

Werk (Auswahl): Der durchleuchtete Wähler, 1964; Opinion-Leaders in Österreich, 1970; Die offene Partei – die Ergebnisse der Parteireform, 1977; Christentum und Sozialismus, 1982; Forschung für die wirtschaftliche Entwicklung, 1998.
Literatur: Gerhard Walter, Charly. Stationen eines bewegten Lebens, 2003.