Olberg-Lerda, Oda

2.10.1872, Bremerhaven (Bremen) – 11.4.1955, Buenos Aires

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O

Als Tochter eines hohen deutschen Offiziers geboren, wollte Oda Olberg ursprünglich Medizin studieren; da die Mittel dafür aber nicht reichten, wurde sie zunächst Krankenpflegerin. Ihr soziales Empfinden brachte sie früh mit der Arbeiterbewegung in Kontakt, und bereits mit 17 veröffentlichte sie ihre ersten Artikel.

1896 heiratete sie in Italien den sozialistischen Abgeordneten Giovanni Lerda, war in der Redaktion der sozialistischen Zeitschrift "Avanti!" eine Kollegin des jungen Mussolini und wirkte bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Korrespondentin für die Arbeiter-Zeitung und für verschiedene deutsche Blätter. Ihre Beiträge erschienen auch in den Dokumenten der Frauen, in der Frau und der Unzufriedenen.

Nach dem Sieg des Faschismus in Italien emigrierte Olberg zunächst nach Südamerika, kehrte allerdings 1929 nach Europa zurück und war bis 1933 als Redakteurin der Arbeiter-Zeitung in Wien tätig. 1934 kehrte sie wegen der politischen Situation in Österreich nicht mehr von einem Besuch ihres Sohnes in Argentinien zurück. Oda Olberg war – obwohl viele Jahre lang schwer krank – bis kurz vor ihrem Tod publizistisch tätig. Im Nachruf der Arbeiter-Zeitung vom 22. April 1955 wird sie als die beste sozialistische Journalistin ihrer Zeit bezeichnet.

Umstritten sind heute v.a. Olbergs Aussagen zur Eugenik, denn auch sozialistische Feministinnen, fortschrittliche Ärzte und viele assimilierte Juden wie etwa der Wiener Stadtrat für das Wohlfahrtswesen, Julius Tandler, oder der Gynäkologe Karl Kautsky jr. vertraten eugenische Konzepte als Teil ihrer Vision von einer neuen Gesellschaft. Wobei die „sozialistische Eugenik“ darauf abzielte, Krankheiten auszurotten – und nicht Kranke.

„Sowohl die rassistische, antisemitische Neigung vieler NS-Rassenhygieniker als auch die nach 1933 zu beobachtende Tendenz einer Infragestellung nicht nur des Fortpflanzungsrechts, sondern des allgemeinen Lebenswertes und Lebensrechtes sogenannter ‘Minderwertiger‘ hatten in den Konzeptionen sozialistischer Eugenik keinen Ort“, so der deutsche Historiker Michael Schwartz, 1995.


Werk: Das Elend in der Hausindustrie der Konfektion, 1896; Das Weib und der Intellectualismus, 1902; Der Fascismus [sic] in Italien, 1923; Die Entartung in ihrer Kulturbedingtheit. Bemerkungen und Anregungen, 1926; Nationalsozialismus, 1932.
Literatur: Doris Ingrisch (Hrsg.), Die Revolutionierung des Alltags. Zur intellektuellen Kultur von Frauen im Wien der Zwischenkriegszeit, 2004; Martina Pietsch, Oda Olberg – Leben und Werk 1872-1955. Eine qualitative Analyse ihrer journalistischen und publizistischen Arbeiten, 2005.