Aufgegeben hatten das Inserat der sozialdemokratische Pädagoge und Schulinspektor Georg Schmiedl und sein Wanderkollege, der Kaufmann Simon Katz. Etwa dreißig Antwortbriefe langten schließlich ein, darunter ein gemeinsames Schreiben von drei Wohnungsnachbarn und Freunden:
Wien, 23.3.1895: Bezugnehmend auf die Annonce in der Arbeiterzeitung von 22. und 23. März teilen wir, in der Absicht, an der zu gründenden touristischen Gruppe uns zu beteiligen, unsere Adressen mit: Josef Rohrauer, Stud. phil., Alois Rohrauer, Metallarbeiter, Karl Renner, Stud. jur.
Schon am 28. März fand im Extrazimmer des Gasthauses "Zum Silbernen Brunnen" in der Berggasse 5 die erste Besprechung statt, an der etwa vierzig Interessenten teilnahmen. Die beiden Initiatoren selbst wollten nicht allzu sehr in Erscheinung treten, da sie um ihre berufliche Existenz fürchteten. In den Gründungsausschuss wurden deshalb drei andere Sozialdemokraten gewählt – Alois Rohrauer, Anton Kreuzer und Leopold Happisch. Karl Renner entwarf die Statuten der Naturfreunde, die zu diesem Zeitpunkt noch "Touristische Gruppe der Sozialdemokraten" hießen.
Am Ostersonntag, den 14. April 1895, fand die erste gemeinsame Wanderung der Naturfreunde statt. Im Einladungsinserat der Arbeiter-Zeitung hieß es u.a.: Zusammenkunft: Früh halb 8 Uhr in der Abfahrtshalle des Südbahnhofs. Erkennungszeichen: die Arbeiterzeitung. Abfahrt: 8 Uhr nach Mödling. Promenadeweg über die Klause, über den Anninger nach Gaaden. Daselbst Mittagsstation in Schöny's Gasthaus. Rückweg in die Hinterbrühl. Jause: Gasthaus "Zur elektrischen Bahn", wo auch die nachmittags Nachkommenden sich treffen. Führer: Genosse Rohrauer. 62 Personen nahmen an diesem Ausflug teil, Lehrerinnen und Lehrer, Beamte, Studierende sowie Arbeiterinnen und Arbeiter aller Berufssparten.
Am Montag, den 16. September 1895, fand im Gasthaus "Zum Goldenen Luchsen" in Neulerchenfeld schließlich die offizielle Gründung des Vereins statt, an der 185 Personen teilnahmen. Der erste Sitz der Naturfreunde befand sich in Rohrauers Wohnung, dann in der Hasnerstraße 13 in Ottakring.
Der neue Verein brauchte schnell ein eigenes Emblem. Es war Renners Idee, das Symbol des Handschlags mit den drei Alpenrosen zu kombinieren, und der erste Entwurf wurde von ihm selbst gezeichnet. Der Handschlag stand für die Solidarität, die die Arbeiterbewegung auszeichnete und die auch beim Wandern gelten sollte. Auch der Wahlspruch war schnell gefunden: "Hand in Hand durch Berg und Land" – ein Ausdruck des politischen Kampfes um Freizeit und Erholung, zu einer Zeit, in der Arbeiterinnen und Arbeiter sechs Tage die Woche über zehn Stunden täglich arbeiten mussten, keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub hatten und in der die Besitzrechte am Wald jegliche Nutzung für Erholungszwecke verboten.
Schon nach zwei Jahren bot das monatlich aufgelegte "Programm" zu wenig Platz, um die vielen Aktivitäten des Vereins veröffentlichen zu können. Man brauchte eine richtige Publikation, die alle Gruppen und Mitglieder miteinander verbinden konnte. Am 15. Juli 1897 erschien die erste Ausgabe der neuen Vereinszeitschrift "Der Naturfreund" in einer Auflage von 400 Stück. Redaktion und Administration wurden dem Schriftsetzer Leopold Happisch übertragen, der bis 1903 auch den Versand der Zeitschrift in seiner Privatwohnung organisierte. Die Auflage stieg von 1.500 Stück im Jahr 1899 auf 35.000 im Jahr 1914.
Karl Renner berichtete später, das Parteisekretariat fand das Ansinnen, Parteimitglieder statt auf die Ringstraße zum Kampfe gegen die Regierung, lieber in die einsamen Berge zu ihrem Vergnügen zu führen, geradezu frivol, tadelte die Gruppe ernsthaft und empfahl, die Gründung zu unterlassen.
Die Naturfreunde wollten diesen Vorwurf natürlich nicht auf sich sitzen lassen und führten ins Treffen, dass sie auch auf dem Lande "agitatorisch" tätig seien: Unser Erkennungszeichen war die Arbeiterzeitung, sie war das geistige Band, das uns umschlang [...] Wir holten uns die überschüssigen Nummern, um sie am Sonntag bei unseren gemeinsamen Ausflügen an den Mann zu bringen. Wenn unsere Schar durch ein Dorf zog, da verschwand in jedem Haus einer, um dort mit einem freundlichen Gruß eine Zeitung zu hinterlegen. Selbst das Sanktorium des gestrengen Seelenhirten wurde nicht verschont, und ehe es der Stellvertreter Gottes versah, hatte er das Ketzerblatt auf dem Tisch liegen.
Nachdem Alois Rohrauer bereits Ende April 1898 bei der privaten k. k. pr. Südbahn-Gesellschaft erwirkt hatte, dass auch die Naturfreunde eine Vergünstigung für Bahnfahrten erhalten, fand über die Augustfeiertage 1898 eine erste Sonderzug-Fahrt für Naturfreundinnen und Naturfreunde statt. Sie führte nach Salzburg, rund 500 Personen nahmen daran teil. Über die zweite Sonderfahrt im folgenden Jahr berichtete Leopold Happisch:
Die meisten Teilnehmer mögen durch viele Wochen, durch Monate ihre sauer erworbenen Kreuzer zusammengetragen haben, um einmal – ein einziges Mal – sich jenen Genüssen hinzugeben, die ihnen sonst versagt sind, die als Vorrecht der Besitzenden gelten.
Ende 1900 konnte endlich das erste Naturfreundeheim in der Löhrgasse 16 eröffnet werden; 1919 erfolgte der Umzug in die Neubaugasse 15 in Fünfhaus, 1926 in die damalige Karl-Marx-Straße 5. 1930 wurde schließlich das Haus in der Diefenbachgasse 36 erworben.
Die Naturfreunde waren die ersten, die mit dem "Projections-Apparate Skioptikon" Laternenbilder zeigten, was sie dem besonderen Engagement eines ihrer Mitglieder, des Bäckergesellen Anton Kreutzer, zu verdanken hatten, der sich die Ausrüstung und Bilder von seinem Ersparten angeschafft hatte.
1905 wurde der "Klub der Freunde der Amateurphotographie" gegründet, der im darauffolgenden Jahr von den Naturfreunden aufgenommen wurde. Von nun an gab es in der Vereinszeitschrift „Der Naturfreund“ eine "Photographische Ecke", in der über die Technik des Fotografierens und Entwickelns informiert sowie über die richtige Motivwahl diskutiert wurde.
Ebenfalls 1905 nahm die erste Skischule der Naturfreunde ihren Betrieb auf. Tausende Mitglieder übten sich auf den Wiesen im Wienerwald in der Skitechnik nach Mathias Zdarsky.
Da die "Norweger-Methode" mit dem Telemarkschwung für die steilen Alpenhänge nur bedingt geeignet war, entwickelte der Lilienfelder Zdarsky eine neue Bindung aus einer horizontal drehbaren Stahlsohle, deren Aufwärtsdrehung durch eine Metallfeder gehemmt wurde. Darüber hinaus entwickelte er die Einstocktechnik, kombiniert mit Pflug- und Stemmbögen. Am 19. März 1905 wurde am Muckenkogel in Lilienfeld der erste Torlauf der Skigeschichte durchgeführt.
Ab 1906 hieß die Organisation offiziell "Touristenverein Naturfreunde Österreichs" (TVN). Nach der Gründung von Naturfreunde-Gruppen in Zürich und München entstand in Wien die "Naturfreunde Internationale" (NFI); ihr erster Sekretär wurde Leopold Happisch.
Nach 25 Jahren übergab Alois Rohrauer 1920 den Vorsitz an Karl Volkert. Der Verein hatte nun über 75.000 Mitglieder. Nach den schmerzlichen Kriegsverlusten prägten nun viele junge Frauen und Männer den Verein und sorgten mit großem Engagement für einen rasanten Aufschwung.
1930 organisierte die seit 1919 bestehende Alpinistengilde der Naturfreunde die erste Arbeiterexpedition in den Kaukasus. Und am 24. Juli 1931 veranstalteten die Naturfreunde im Rahmen der 2. Arbeiter-Olympiade in Wien eine "Weihestunde" auf dem Nußberg. Mit rund 45.000 Teilnehmenden war sie die größte und eindrucksvollste Kundgebung, die jemals von den Naturfreunden veranstaltet wurde.
Der Wiederaufbau der Naturfreunde begann bereits wenige Tage nach der Befreiung Wiens, am 12. April 1945; am 2. Juni 1945 wurde die Wiener Landesgruppe, am 25. Juli auch die gesamtösterreichische Organisation offiziell wiederhergestellt.
1988 kehrte auch die Naturfreunde-Internationale, die 1934 ihren Sitz nach Zürich verlegt hatte, nach Wien zurück. In folgenden Ländern und Regionen existieren heute Naturfreunde-Organisationen:
Belgien-Flandern und Belgien-Wallonien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Mexiko, Niederlande, Österreich, Polen, Schweden, Schweiz, Senegal, Slowakei, Südtirol, Tschechien, Ungarn und USA. In vielen anderen Ländern gibt es Partnerorganisationen.
Heute zählen die Naturfreunde allein in Österreich 155.000 Mitglieder, besitzen 139 Hütten sowie Häuser und betreuen ein ausgedehntes Wegenetz. Sie engagieren sich für den Umweltschutz und die Errichtung von Nationalparks.
Zu ihren Aktivitäten gehören die Bewirtschaftung von Häusern und Hütten, die Markierung von Wegen und die Betreuung von Klettersteigen, der Reisedienst und die Fotosektion, Expeditionen in ferne Gebiete und die Hochgebirgsschule Glockner-Kaprun.
Anlässlich ihres 125jährigen Bestehens zeigt der Waschsalon Karl-Marx-Hof von 26.3.2020 bis 24.1.2021 eine Sonderausstellung der Naturfreunde.
Literatur: Ulrike Balek, Grüne Wege für die Zukunft, eine Kampagne der Naturfreunde Internationale, 2002; Dagmar Günther, Wandern und Sozialismus. Zur Geschichte des Touristenvereins "Die Naturfreunde" im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, 2003; Franz Halbweis, Entwicklung des Bergsports in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Alpenvereins und der Naturfreunde, 1998; Christian Heihs, Arbeitersport in der Zwischenkriegszeit (1918–1938). Die organisatorische und politische Entwicklung des Arbeitersports in der Zwischenkriegszeit unter besonderer Berücksichtigung des Touristenvereines "Die Naturfreunde", 2001; Manfred Pils, "Berg frei". 100 Jahre Naturfreunde, 1994/2019; Paul Schminke, Die grüne Lust der roten Touristen, 1985; Gerald Schügerl, 80 Jahre Naturfreunde Österreich, 1975; Leopold Wiesinger, Touristenverein Die Naturfreunde in Österreich. Festschrift 100 Jahre Ortsgruppe Floridsdorf des Touristenvereines Naturfreunde 1897–1997, 1997; Jochen Zimmer (Hrsg.), Mit uns zieht die neue Zeit. Zur Geschichte einer alternativen Verbandes in der Arbeiterkulturbewegung, 1984; Jochen Zimmer, Wulf Erdmann (Hrsg.), Hundert Jahre Kampf um die freie Natur, 1991.