Ellenbogen, Wilhelm

9.7.1863, Lundenburg (Mähren) – 25.2.1951, New York

Head_ellenbogen_vga

E

Der Sohn eines Volksschullehrers kam mit seinen Eltern als Kleinkind nach Wien, studierte hier Medizin und kam im Arbeitungsbildungsverein Gumpendorf, wo er auf Einladung Victor Adlers Vorträge hielt, in Kontakt mit der Arbeiterbewegung. 1891 wurde er Leiter des "Unterrichtsverbandes der Arbeiterbildungs- und Fachvereine Wiens", eines Vorläufers der Bildungszentrale.

Am dritten Parteitag der Sozialdemokraten, 1892, war Ellenbogen bereits einer der HTF_Ellenbogen_VGAauptreferenten; er brachte den Antrag ein, ein System von Vertrauenspersonen aufzubauen und wurde in die Parteileitung gewählt, der er bis 1934 angehörte. Ellenbogen engagierte sich besonders für das allgemeine Wahlrecht und erarbeitete die Grundlagen für eine sozialdemokratische Agrarpolitik.

Von 1901 bis 1918 gehörte Wilhelm Ellenbogen dem Reichsrat an, von 1918 bis 1934 der Provisorischen Nationalversammlung bzw. dem Nationalrat. 1919 war er Unterstaatssekretär für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten, 1920 wurde er Staatssekretär und – als Nachfolger Otto Bauers – Präsident der Staatskommission für Sozialisierung. Von seinen weitreichenden Plänen, wichtige Wirtschaftszweige dem privaten Gewinnstreben zu entziehen, konnte wegen des Widerstandes der Christlichsozialen allerdings nur ein kleiner Teil verwirklicht werden.

TF_Ellenbogen_Tafel_Digi

Im Februar 1934 wurde Wilhelm Ellenbogen verhaftet, aber nach kurzer Zeit wieder freigelassen. Ebenso erging es ihm im März 1938. Am 1. Mai 1938 konnte er Wien verlassen und floh zunächst nach Frankreich, 1940 zu Fuß über die Pyrenäen nach Lissabon und schließlich weiter in die USA. Obwohl Ellenbogen damals bereits weit über 70 Jahre alt war, erlernte er die englische Sprache, arbeitete intensiv als Publizist und Vortragender und übernahm den Vorsitz des Austrian Labor Committee – die Organisation der österreichischen Sozialisten in den USA.

In ihrem Nachruf schrieb die Arbeiter-Zeitung: Als "Radikaler" hat auch Ellenbogen begonnen. Aber in der Schule Victor Adlers wurde er rasch zu jener Weisheit erzogen, die Propaganda und praktische Aktion mit allen "zweckdienlichen, dem natürlichen Rechtsbewußtsein der Massen entsprechenden Mitteln" verfolgt.

Die in den Jahren 1959 bis 1961 nach Plänen von Ernst Lederer-Ponzer, Alfred Bartosch, Julius Csizmania, Raymund Schüller, Oscar Ungar und Franz Wafler errichtete Wohnhausanlage mit 353 Wohnungen, 20., Klosterneuburger Straße 118-122, trägt seit 1963 den Namen Dr. Ellenbogen-Hof.

Im Bezirkssekretariat der SPÖ Brigittenau, 20., Raffaelgasse 11/1, befindet sich eine von Gustinus Ambrosi geschaffene Büste von Wilhelm Ellenbogen.

Werk: Was will die Sozialdemokratie?, 1914; Sozialisierung in Österreich, 1921; Ausgewählte Schriften, Hrsg. von Norbert Leser und Georg G. Rundel, 1983.

Links