Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat in Österreich die Spaltung in "bürgerlichen Sport" und "Arbeitersport" offen zu Tage. Während im bürgerlichen Sport neben politischen bereits schon sehr früh auch kommerzielle Interessen regierten, bekräftigten die Arbeitersportler, dass sie fernab jedes chauvinistischen Treibens stehen und mit ihrem zielbewussten Auftreten für eine andere Gesellschaftsordnung einstehen.
Im Vordergrund der Arbeitersportbewegung standen deshalb nicht in erster Linie Kampfgeist und Siegeswillen, sondern sportliche Kameradschaft und körperliche Ertüchtigung im Dienste der Gesundheit. Der sozialistische Vordenker des Arbeitersports, Fritz Wildung, fasste dies in der Formel Sport im Interesse der Arbeiterklasse heißt Sport treiben, der die Arbeiter befreit, zusammen.
Es gab deshalb lange Zeit keine gemeinsamen Veranstaltungen und auch keine Wettkämpfe zwischen Vertretern der beiden Gruppen. An Olympischen Spielen und internationalen Veranstaltungen der offiziellen, staatlich getragenen Verbände nahmen nur Sportler der bürgerlichen Verbände und Vereine teil. Diese Spaltung der Sportverbände war allerdings keine österreichische Spezialität, es gab sie in den meisten europäischen und sogar in einigen überseeischen Ländern.
Wegen der Nichtteilnahme an den Olympischen Spielen führten die Arbeitersportler als "sozialistischen Gegenentwurf" eigene "Arbeiter-Olympiaden" durch, ebenfalls aufgeteilt in Sommer- und in Winterspiele. Schauplatz der 1. Arbeiter-Olympiade war im Jahre 1925 Deutschland – im Winter das Wintersportzentrum Schreiberhau im Riesengebirge (heute Szklarska Poreba, Polen), im Sommer Frankfurt am Main.
Dabei beteiligten sich rund 100.000 Arbeitersportler – mehr als jemals zuvor oder danach bei einer bürgerlichen Veranstaltung. Das Reglement der proletarischen Spiele schrieb vor, dass Länder, die sich an den allgemeinen Freiübungen nicht beteiligten, von der Arbeitersportolympiade ausgeschlossen würden.
Ziel dieser Regelung war es einerseits, die Trennung zwischen Leistungssportlern und den Massen aufzuheben, und andererseits durch das gemeinsame öffentliche Auftreten von Sportlern aus verschiedenen Ländern den Nationalchauvinismus zurückzudrängen und den Gedanken der internationalen Solidarität zu stärken.
Die Austragung der 2. Arbeiter-Olympiade wurde Österreich übertragen. Sie fand 1931 statt – im Februar in Mürzzuschlag und auf dem Semmering, und vom 19. bis 26. Juli in Wien, mit dem neu errichteten Praterstadion als Mittelpunkt.
Diese Arbeiter-Olympiade – eine von klassenkämpferischer Allegorik und Masseninszenierungen geprägte Veranstaltung – zog immerhin 25.000 Sportlerinnen und Sportler aus 27 Nationen an, darunter mit Hapoel Tel Aviv auch eine Delegation aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina. Insgesamt strömten 70.000 Menschen nach Wien, darunter 30.000 Deutsche. "Die Bevölkerung von Innsbruck mußte untergebracht werden", berichtete Organisator Edmund Reismann.
Bei dieser größten bis dahin in Wien abgehaltenen Sportveranstaltung wurden 117 Bewerbe in 18 Sportarten ausgetragen, darunter "Klassiker" wie Fußball, Hand- und Faustball, aber auch Disziplinen, die den Arbeitersportlern "bisher verschlossen waren", wie Tennis, Jiu-Jitsu und Paddeln, oder damals populäre Sportarten wie Schleuderballwerfen und Raffball.
Im Rahmen der Eröffnungsfeier wurde die Entwicklungsgeschichte der Arbeiter seit dem Mittelalter von etwa 4.000 Personen dargestellt. Am Ende dieser Aufführung krachte ein in der Mitte des Stadions aufgestellter "Kapitalistenkopf" in sich zusammen. Das Spiel wurde mit dem Absingen der Internationale beendet.
Die 3. Arbeiter-Olympiade sollte 1936 in Spanien stattfinden, musste jedoch unmittelbar nach der Eröffnungsfeier in Barcelona abgebrochen werden, weil Franco mit seinem Militärputsch den Bürgerkrieg ausgelöst hatte. Zum Ersatz wurden 1937 Spiele im tschechischen Janske Lazne / Johannisbad (Winter) und in Antwerpen (Sommer) abgehalten. Infolge der politischen Entwicklung waren jedoch nur etwa halb so viele Länder und weniger als halb so viele Sportler und Sportlerinnen vertreten, wie bei den beiden ersten Arbeiter-Olympiaden.
Die Arbeitersportbewegung wurde in Deutschland 1933 von den Nationalsozialisten, in Österreich 1934 vom autoritären Regime zerschlagen.
Es ist bezeichnend für die Situation im Jahre 1945, dass niemand ernsthaft daran dachte, die unselige Spaltung im Sport wiederherzustellen. Zwar entstanden wieder parteipolitisch geprägte Vereine und Verbände, aber es herrschte Übereinstimmung, dass künftig überparteiliche Verbände den Sportbetrieb zu organisieren hätten.
Gleichsam als Ersatz für die Olympischen Spiele 2020 zeigt der Waschsalon Karl-Marx-Hof 2020/21 eine Sonderschau über die 2. Arbeiter-Olympiade in Wien.
Literatur: Julius Braunthal, Festschrift zur 2. Arbeiter-Olympiade, 1931, ASKÖ (Hrsg.), Sport für uns alle. 125 Jahre Arbeitersport in Österreich, 2017.