Waldbrunner, Karl

25.11.1906, Wien – 5.6.1980, Wien

Waldbrunner_karl_head3_bo3

W

Karl Waldbrunner bekannte sich seit seiner Jugend zur sozialdemokratischen Bewegung; er absolvierte die Realschule, studierte Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Wien, war Funktionär des VSStÖ und arbeitete – da er im Österreich der Weltwirtschaftskrise keine Arbeit fand – von 1932 bis 1937 als leitender Ingenieur in der Sowjetunion. Danach war er bis Kriegsende bei den Schoeller-Bleckmann-Stahlwerken tätig.

TF_Waldbrunner_OEGB_Archiv1945 wurde Waldbrunner als Unterstaatssekretär ins Staatsamt für Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr der Provisorischen Staatsregierung Renner berufen und avancierte nach den ersten freien Wahlen der Zweiten Republik – bei welchen er in den Nationalrat gewählt wurde – zum Staatssekretär im Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung. Dieses Amt übte er allerdings nur drei Monate lang aus, ehe er im März 1946 als österreichischer Botschafter nach Moskau ging, um dort Wege und Möglichkeiten zur Erlangung eines Staatsvertrages für Österreich auszuloten.

Von 1949 bis 1956 war Karl Waldbrunner Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Betriebe, von 1956 bis 1962 für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft, und in dieser Funktion auch Gründungsmitglied der Konferenz europäischer Verkehrsminister (CEMT), deren Präsident er 1960/61 war. Waldbrunner setzte sich massiv für die Idee der Verstaatlichung, v.a. in der Schwerindustrie und auf dem Energiesektor, ein und hatte wesentlichen Anteil an den beiden Verstaatlichungsgesetzen, mit denen 1946 die größten Banken, die Erdöl- und Hüttenindustrie, die wichtigsten Unternehmungen des Bergbaus, der Maschinen- und Metallindustrie, des Fahrzeugbaus, der Elektroindustrie, sowie die DDSG und 1947 auch die Elektrizitätswirtschaft in Staatsbesitz übergeführt wurden. Kommentatoren jener Zeit sprachen gerne vom "Königreich Waldbrunner". Seine Macht und Popularität spiegelten sich auch in seinem innerparteilichen Aufstieg wider.

Weitere wichtige Etappen in Waldbrunners Leben waren: von 1946 bis 1956 Zentralsekretär der SPÖ, von 1965 bis 1974 stellvertretender Vorsitzender der SPÖ, von 1950 bis 1973 Präsident des Bundes Sozialistischer Akademiker, von 1946 bis 1971 Abgeordneter zum Nationalrat, von 1962 bis 1970 als Nachfolger von Friedrich Hillegeist Zweiter Präsident des Nationalrates, von 1970 bis 1971 Erster Präsident des Nationalrates, und von 1972 bis 1980 Erster Vizepräsident der Österreichischen Nationalbank.

Die in den Jahren 1981 bis 1984 errichtete städtische Wohnhausanlage, 3., Lechnerstraße 2-4 (ehem. MIAG-Gründe), wurde Karl-Waldbrunner-Hof benannt; das Haus Boltzmanngasse 21 im 9. Bezirk, in dem sich bis 2003 das Generalsekretariat des BSA befand, trug ebenfalls seinen Namen. Im November 2007 wurde ein Teil der Rechten Nordbahngasse in Wien-Floridsdorf Karl-Waldbrunner-Platz benannt.

Literatur: Festschrift für Karl Waldbrunner, 1971; Hannes Androsch, Anton Pelinka und Manfred Zollinger (Hrsg.), Karl Waldbrunner. Pragmatischer Visionär für das neue Österreich, 2006.