In Franz Schuhmeier sah und liebte das Volk sich selbst.
Wilhelm Ellenbogen in seinem Nachruf, 1913.
Das Wissen der Besitzenden imponiert mir nicht: Es bedeutet nichts gegenüber dem Wissen, das sich der Arbeiter unter harter Mühe aus eigener Kraft erwirbt. Wie viele Talente verkümmern, wie viele edle Anlagen verwahrlosen, weil die Armut sie erdrückt. [...] Wie viele Menschen bleiben das, als was sie geboren worden sind: die Knechte der anderen; nur deshalb, weil es in ihrer Jugend an der Anleitung fehlte, sie geistig vorwärts und geistig aufwärts zu bringen. Franz Schuhmeier, 1910 anlässlich der Eröffnung der Ottakringer Jugendbibliothek.
Franz Schuhmeier war der Sohn einer Wäscherin und eines Bandmachergesellen aus Ottakring. Sein älterer Bruder kam im Alter von nur 13 Jahren bei einem Arbeitsunfall zu Tode, ein prägendes Erlebnis und ein wesentlicher Grund dafür, dass Schuhmeier später den Kampf gegen die Kinderarbeit zu einer seiner Hauptaufgaben machen sollte.
Da er ein vorzüglicher Schüler war, verschaffte ihm sein Volksschullehrer einen Freiplatz im Priesterseminar von St. Pölten – eine der wenigen Möglichkeiten, als Arbeiterkind eine solide Schulbildung zu erhalten. Allerdings konnten sich Schuhmeiers Eltern die vorgeschriebene "ordentliche Kleidung" nicht leisten. So blieb nur ein Hilfsarbeiterposten in einer Buntpapierfabrik in Gumpendorf, wo Schuhmeier schließlich mit der sozialdemokratischen Bewegung in Kontakt kam.
Schuhmeier, der von 1896 bis 1898 als Reichsparteisekretär tätig war, wurde im Jahr 1900 in Ottakring in den Wiener Gemeinderat gewählt – er und der Favoritner Jakob Reumann waren damit die ersten sozialdemokratischen Gemeinderäte Wiens. Schuhmeier, der auch der Autor des ersten Kommunalprogramms der Sozialdemokraten war, widmete sich neben der Sozial- und Bildungspolitik v.a. dem Wohnungswesen und dem Kampf um das allgemeine Wahlrecht. 1901 wurde Schuhmeier Abgeordneter zum Reichsrat, 1910 auch zum niederösterreichischen Landtag.
Bei der Heimkehr von einer Wahlkundgebung in Stockerau wurde Franz Schuhmeier am 11. Februar 1913 von Paul Kunschak, dem geistig verwirrten Bruder des Begründers der christlichen Arbeiterbewegung und späteren Nationalratspräsidenten Leopold Kunschak, in der Halle des Nordwestbahnhofs erschossen.
An der Beerdigung des ungemein populären Arbeiterführers am Ottakringer Friedhof nahm eine Viertel Million Menschen teil.
Nach dem Arbeiterführer wurden der Schuhmeierplatz im 16. Bezirk, der bis 1918 "Habsburgerplatz" hieß und an dem sich das heutige Bezirkssekretariat der SPÖ befindet, die Franz-Schuhmeier-Gasse im 23. Bezirk und der in den Jahren 1923/24 bzw. 1926/27 nach Plänen von Gottlieb Michal und Karl Schmalhofer errichtete Schuhmeierhof, 16., Pfenninggeldgasse 6-12, benannt.
Franz Schuhmeiers besonderer Einsatz für die Kinder wurde durch die Benennung des Sonnenlands Franz Schuhmeier, 16., Vogeltenngasse 2, gewürdigt. Schon in der Ersten Republik befand sich hier, auf der sogenannten "Ruinenwiese", eine Tageserholungsstätte der Ottakringer Kinderfreunde. Die einstige Baracke wurde später zum modernen "Europahaus des Kindes" umgewandelt.
Publikation: Volkstribüne, Organ für die Interessen des arbeitenden Volkes, 1891–1919 halbmonatlich.
Literatur: Helga Schmidt und Felix Czeike, Franz Schuhmeier, 1964.