Karl-Marx-Hof

19., Heiligenstädter Straße 82-92

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Die nach Karl Marx benannte Wohnhausanlage der Gemeinde Wien ist der wohl repräsentativste, sicherlich aber der bekannteste kommunale Wohnbau der Stadt. Der Karl-Marx-Hof wurde in den Jahren 1926 bis 1930 nach Plänen von Karl Ehn als Musterbeispiel eines monumentalen "Superblocks" errichtet.
Die offizielle Eröffnung der Anlage fand am 12.Oktober 1930 statt; dabei sprach Bürgermeister Karl Seitz die berühmten Worte: Wenn wir einst nicht mehr sind, werden diese Steine für uns sprechen

Vorausgegangen war diesem Ereignis eine jahrelange Medien- und Hetzkampagne, ausgelöst durch eine "Extra-Ausgabe" der christlichsozialen Reichspost vom 21. Oktober 1927.

TF_4_Karl_Marx_Hof_WrWohnen_Bausteine_Stephan_HugerIn dieser wurde die Bevölkerung vor der angeblichen Einsturzgefahr des "Riesenbaus in der Heiligenstädterstraße" gewarnt. Absicht war zweifellos, die Gemeinde Wien und ihr erfolgreiches Wohnbauprogramm in Misskredit zu bringen, um den Wohnbau wieder privaten Bauherren und Spekulanten zuzuschanzen.
 
Zusätzlich zu den ursprünglich 1.382 Wohnungen für etwa 5.000 BewohnerInnen wurden hier auch zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen geschaffen, u.a. zwei Zentralwäschereien mit 62 Waschständen, zwei Bäder mit 20 Wannen und 30 Brausen, zwei Kindergärten, eine Mutterberatungsstelle, ein Jugendheim, eine Bibliothek, eine Zahnklinik, eine Krankenkassenstelle mit Ambulatorium, eine Apotheke, ein Postamt, mehrere Arztpraxen, Kaffeehäuser, Räumlichkeiten für politische Organisationen und 25 Geschäftslokale.
 
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Der Karl-Marx-Hof wurde als Verbauung der relativ schmalen, aber über einen Kilometer langen früheren "Hagenwiese" als geschlossene Wohnhofanlage mit großen, freundlichen Gartenhöfen errichtet.
 
Besonders beeindruckend ist der stark zurückversetzte Mitteltrakt mit seinen sechs monumentalen Türmen, die von mächtigen Fahnenstangen überragt werden, den riesigen Durchfahrten, die auf die Achse Heiligenstädter Bahnhof / Hohe-Warte-Stadion ausgerichtet sind, den massiven, archaisch anmutenden Hauseingängen, den Balkon-, Loggien- und Erkergruppen die – auch durch ihre Andersfarbigkeit – wie "aufgesetzt" wirken und dem großen Vorplatz.


Die in der Mitte dieses Ehrenhofes stehende Bronzefigur "Sämann" stammt von Otto Hofner (1920/29), die wunderbaren farbigen Keramikfiguren über den Rundbögen ("Aufklärung", "Befreiung", "Kinderfürsorge", "Körperkultur") und die zwei Blumenvasen von Josef Franz Riedl (1930).

Der Karl-Marx-Hof wurde in drei Abschnitten errichtet; der letzte Bauteil wurde erst im Sommer 1933 fertiggestellt.

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Seit Dezember 1929 hatte auch die "Beratungsstelle für Inneneinrichtung" ihren Sitz im Karl-Marx-Hof. Ebenfalls ab 1929 wohnte im Karl-Marx-Hof das Ehepaar Paul Felix Lazarsfeld und Marie Jahoda, Initiator und Autorin der Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal".
 

Im Februar 1934 war der Karl-Marx-Hof ein Zentrum des Widerstandes gegen den Faschismus. Am 12. Februar versuchte die Polizei vergeblich, die Anlage zu besetzen. In den Abendstunden wurden starke Bundesheerverbände und eine große Schutzkorpseinheit unter dem Kommando von Karl Biedermann – der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ein führender Vertreter des militärischen Widerstandes sein sollte und noch am 8. April 1945 am Floridsdorfer Spitz gehenkt wurde – zur Unterstützung herangebracht.

TF_Karl_Marx_Hof_1934_2_BO16Am 13. Februar 1934 wurden um ein Uhr früh die ersten Artilleriegeschosse gegen den Karl-Marx-Hof abgefeuert. Am Vormittag setzte der systematische Beschuss ein und unter dem Schutz von Maschinengewehrfeuer erfolgte der Sturm auf den Gebäudekomplex, bei dem auch Panzerwagen zum Einsatz kamen. Die Kämpfe dauerten bis in die Vormittagsstunden des 15. Februar. Dann zogen sich die letzten Verteidiger vor der erdrückenden Übermacht zurück.

Der Karl-Marx-Hof wurde noch im Februar in "Biedermannhof" umbenannt; im August 1935 gaben ihm die Austrofaschisten den offiziellen Namen "Heiligenstädter Hof", den auch die Nationalsozialisten beibehielten.
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Das Kaffeehaus auf Stiege 3 wurde im Ständestaat übrigens in eine römisch-katholische Gottesdienststätte umgewandelt. Später machten die Nationalsozialisten daraus einen Versammlungsraum ihrer Partei.

Seit 1945 trägt der Karl-Marx-Hof wieder seinen ursprünglichen Namen.

Bei Stiege 32 in der Boschstraße erinnert eine Gedenktafel daran, dass Österreichs Arbeiter im Februar 1934 als erste in Europa dem Faschismus entgegentraten.

In den Jahren 1986 bis 1992 wurde eine Sockelsanierung durchgeführt, es erfolgte der Einbau 50 neuer Aufzüge und der Anschluss an die Fernwärme Wien. Im Rahmen der letzten Sanierungsarbeiten, die 2019 abgeschlossen waren, wurden u.a. auch die Dächer erneuert.

Im Zuge dieser Arbeiten wurde auch die originale Farbgebung von Seiten des Bundesdenkmalamts wissenschaftlich befundet. Es zeigte sich, dass es im Karl-Marx-Hof ursprünglich ein regelrechtes Farbleitsystem gab. Alle wichtigen Informationstafeln und Hinweisschilder etwa waren in Ral 3000 – also tiefem Feuerrot  – gehalten. Auch die Vielzahl an Blautönen war überraschend. Jene Gitter, die die einzelnen Höfe voneinander trennen, hatten ursprünglich ein sattes Tiefblau. Die großen Fahnenstangen am 12. Februar-Platz hingegen waren smalteblau, also um einiges heller.

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Seit 1. Mai 2010 beherbergt der Waschsalon Nr. 2 in der Halteraugasse 7, wo im Erdgeschoss immer noch Wäsche gewaschen wird, die Dauerausstellung Das Rote Wien im Waschsalon Karl-Marx-Hof.

Die permanente Ausstellung umfasst vier Themenbereiche: Die Geschichte des Roten Wien von 1919 bis 1934, Kommunaler Wohnbau und Folgeeinrichtungen, Bildungs- und Kulturarbeit sowie Fest- und Feierkultur der Wiener Arbeiterbewegung. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Sonderausstellungen. Auf Wunsch beginnen gebuchte Gruppenführungen auch mit einem Rundgang durch den Hof selbst.

Literatur: Der Karl Marx-Hof. Die Wohnhausanlage der Gemeinde Wien auf der Hagenwiese in Heiligenstadt, 1930; Hans und Rudolf Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980; Fritz Herrmann, Karl-Marx-Hof. Szenen vom Untergang der Sozialdemokratie, 2001; Sonja Kofler, Wohnen im Karl-Marx-Hof 1930-1934. Der kurze Traum von einem besseren Leben, 2004; Inge Podbrecky, Rotes Wien, 2003; Susanne Reppé, Der Karl-Marx-Hof. Geschichte eines Gemeindebaus und seiner Bewohner, 1993; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Genoveva und Gerald Kriechbaum [Hrsg.], Karl-Marx-Hof. Versailles der Arbeiter, 2008; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.