Gemeinderat, Wiener

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Der Wiener Gemeinderat umfasst 100 Personen und wird alle 5 Jahre von den Wienerinnen und Wienern aufgrund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts gewählt. Da Wien seit 1922 gleichzeitig Gemeinde und Bundesland ist, sind die 100 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte gleichzeitig auch Abgeordnete zum Wiener Landtag.

Der Gemeinderat ist beschließendes Organ der Gemeinde und damit für eine Reihe von wichtigen Entscheidungen der Stadt zuständig, so z.B. für Wahl des Wiener Bürgermeisters (und Landeshauptmannes) sowie der Stadträte, die Kontrolle der übrigen Gemeindeorgane, die Beschlussfassung des Gemeindevoranschlages (Budget) und des Rechnungsabschlusses der Gemeinde.

Als Wiener Landtag beschließt dieses Organ die Wiener Landesgesetze.

Die Gemeinderatssitzungen sind grundsätzlich öffentlich, außer die Gemeinderatsmitglieder entscheiden mit Mehrheit, dass Zuhörer an einer Sitzung nicht teilnehmen dürfen.

Der erste Wiener Gemeinderat trat am 7. Oktober 1848 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Nach der Nieder schlagung der Revolution trat 1850 eine provisorische Gemeindeordnung in Kraft, die die Zusammensetzung des Gemeinderats regelte, aus dessen Mitgliedern auch der Bürgermeister gewählt wurde.

Ab 1861 bestand der Gemeinderat aus 120 Mitgliedern, ab 1884 aus 138. Gewählt wurden diese Abgeordneten von drei Wahlkörpern (Kurien), die jeweils ein Drittel seiner Mitglieder entsandten – mit höchst unterschiedlicher Stimmgewichtung. Dieses Kurienwahlrecht, das überdies auf Männer beschränkt war, führte dazu, dass der Gemeinderat und damit auch der Wiener Bürgermeister von nur wenigen Prozent der männlichen Wiener Bevölkerung bestimmt wurde.

1885 wurde auf Betreiben Karl Luegers die zur Erlangung des Wahlrechts erforderliche Steuerleistung für den dritten Wahlkörper auf fünf Gulden gesenkt, womit Luegers kleinbürgerliche Anhänger, die in der Folge so genannten "Fünf-Gulden-Männer", ebenfalls wahlberechtigt waren. Im Jahr 1900 kam schließlich eine vierte allgemeine Wählerkurie hinzu.

Nach dem Tod Luegers im Jahr 1910 stellten die Christlichsozialen in Wien noch bis 1919 den Bürgermeister, obwohl die Sozialdemokraten 1912 erstmals eine absolute Stimmenmehrheit in der Stadt erzielt hatten – eine Folge des weiterhin geltenden undemokratischen Kurienwahlrechts auf Gemeindeebene.

Im Mai 1919 wurde der Wiener Gemeinderat erstmals nach dem allgemeinen Wahlrecht für Männer und Frauen gewählt. Seit dieser Zeit stellen die Sozialdemokraten, mit Ausnahme der Jahre 1934 bis 1945, sämtliche Wiener Bürgermeister.

Bei den Gemeinderatswahlen des Jahres 2020 erhielt die SPÖ 41,62% und 46 Mandate (von 100), die ÖVP 20,43% und 22 Mandate, die Grünen 14,8% und 16 Mandate, die FPÖ 7,11% und 8 Mandate  sowie die Neos 7,47% und 8 Mandate.

Literatur: Gertrud Maria Hahnkamper, Der Wiener Gemeinderat zwischen 1861 und 1864, 1973; Wolfgang Maderthaner, Kommune & Sozialdemokratie. Zum Einzug der Sozialdemokratie in den Wiener Gemeinderat vor 100 Jahren, 2000.