Fröhlich-Sandner, Gertrude (geb. Kastner)

25.4.1926, Wien – 13.6.2008, Wien

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Der Vater Gertrude Sandners war Fürsorgerat. In dem Band "Unsere Gerti" erinnert sie sich: Die Fürsorgeräte hatten in der eigenen Wohnung ihre Sprechstunden. Zu meinem Vater kamen die Hilfsbedürftigen jeden Dienstag abends. Die Fürsorgeräte hatten auch keine Möglichkeiten, real zu helfen. Ich erinnere mich an Gutscheine für 5 kg Erdäpfel oder 10 kg Gaskoks, die manchmal ausgegeben wurden. Und für jene, die Hunger hatten und nicht einmal Geld für ein Stück Brot, kochte die Mama an den Sprechtagen Fisolen mit Erdäpfeln oder eingebrannte Erdäpfel... 

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Gertrude Sandner arbeitete ab 1948 als Volksschullehrerin und engagierte sich als Erzieherin bei den Kinderfreunden in Wien. 1959 wurde sie in Mariahilf in den Wiener Gemeinderat gewählt, 1965 zur Stadträtin für Kultur, Schulverwaltung und Sport ernannt und vier Jahre später zur Vizebürgermeisterin und Landeshauptmann-Stellvertreterin, ein Amt, das sie unter den Bürgermeistern Bruno MarekFelix Slavik und Leopold Gratz ausübte. 1979 übernahm Fröhlich-Sandner als Amtsführende Stadträtin die Bereiche Bildung, Jugend und Familie. In dieser Zeit ist sie auch für das Heim für "Sonderschülerinnen" im Schloss Wilhelminenberg zuständig.

1984 schließlich trat Gertrude Fröhlich-Sandner als Bundesministerin für Familie, Jugend und Konsumentenschutz in die Regierung ein, der sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1987 angehörte.

"Miteinander reden" war stets die Devise ihrer politischen Arbeit, getreu ihrer Überzeugung, dass "wo Worte fehlen, nur mehr die Gewalt bleibt". Als Kulturstadträtin führte sie den Dialog mit den Besetzern von Arena, Amerlinghaus oder Gassergasse. Die Rettung des Spittelbergviertels ist ihr ebenso zu verdanken wie der Erhalt des Raimundtheaters. Fröhlich-Sandner gründete die "Streetworker" und schuf sozialtherapeutische Wohngemeinschaften. In ihrer Amtszeit wurden auch die städtischen Heime umstrukturiert, anstelle von Schlafsälen traten familienähnliche Kleingruppen.

Gertrude Fröhlich-Sandner war von 1969 an 21 Jahre lang Bundesvorsitzende der Österreichischen Kinderfreunde und seit 1990 aktive Ehrenvorsitzende der Organisation.

2010 wurde die Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße beim Hauptbahnhof Wien sowie der Bildungscampus Gertrude Frühlich-Sandner am Gelände des Nordbahnhofs benannt.

Werk: Kindeswohl – Wohl des Kindes?, 1987.
Literatur: Kurt Stimmer, "Unsere Gerti", 1996; Walter Göhring, Gertrude Fröhlich-Sandner, 2009.