Faschismus

F

Der Faschismus (von lateinisch fasces bzw. italienisch fascio, "Rutenbündel") ist eine politische Bewegung, die gegen Ende des Ersten Weltkriegs in Italien entstand und sich u.a. auf agrarrevolutionäre Vereinigungen von Landarbeitern berief, die sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts gebildet hatten und selbst fasci rivoluzionari nannten. Der einstige Marxist Benito Mussolini nahm den Ausdruck fascio auf und gründete 1919 in Mailand mit einigen Gefährten den ersten fascio di combattimento (Kampfbund).

Die faschistische Bewegung, die sich von allem Anfang an auch als Gegenkraft zum italienischen Kommunismus verstand, war trotz ihres national- und sozialrevolutionären Gehabes in ihren Zielen stets totalitär, antiliberal, antidemokratisch und antiparlamentarisch. Sie vertrat einen extremen Nationalismus, dem sich das Individuum bedingungslos unterzuordnen hatte, verfolgte expansionistische Ziele, und ihre Strukturen waren autoritär und hierarchisch (Führerprinzip).

1921 bildete sich aus Mussolinis Kampfbund der "Partito Nazionale Fascista" (PNF); innerhalb des PNF organisierte sich der Wehrverband der berüchtigten "Schwarzhemden", deren Mitglieder die Straßen terrorisierten und politische Gegner sowie Abweichler gewaltsam verfolgten.

Nach dem Vorbild Mussolinis, der im Oktober 1922 die Macht in Italien übernahm, bildeten sich faschistische Bewegungen und Parteien in zahlreichen europäischen Ländern – in Spanien die "Falange", in Rumänien die "Eiserne Garde", in Kroatien die "Ustaschi", in Ungarn die "Pfeilkreuzler"; faschistische Gruppierungen entstanden auch in Frankreich, Portugal, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und selbst in der Schweiz und in Skandinavien.

Der italienische Faschismus beeinflusste auch große Teile der österreichischen Heimwehren, die sich allerdings zusätzlich durch ihren betont katholischen Klerikalismus auszeichneten. Die Politik von Engelbert Dollfuß, die seit 1933 auf eine systematische Ausschaltung der Demokratie und auf die Errichtung eines "ständischen" Staatsgefüges jenseits von Klassengegensätzen hinauslief, wird zumeist als österreichische klerikale Spielart des Faschismus (Austrofaschismus) bezeichnet.

Der deutsche Nationalsozialismus teilte zwar viele Merkmale der faschistischen Bewegung (insbesondere das Führerprinzip), unterschied sich aber v.a. in seinem obsessiven Antisemitismus, der über die anfängliche Entrechtung der Juden schließlich in deren systematische Vernichtung (Genozid) mündete, wesentlich vom italienischen Faschismus, der im Prinzip an der Monarchie und der Verbundenheit zur katholischen Kirche und deren Werten festhielt.

Auch nach 1945 gab es, v.a. in Mittel- und Südamerika, diktatorische Regime mit gewissen faschistoiden Merkmalen. Ideologisch am engsten mit dem Faschismus verwandt war dabei der argentinische "Peronismus".

In der Studentenbewegung der 1960er Jahre kam es zu einer intensiven theoretischen Auseinandersetzung mit dem Faschismusbegriff, der allerdings nicht selten inflationär zur Verunglimpfung aller politischen Gegner missbraucht wurde. Ein neueres Phänomen ist die Gruppe der sogenannten "Identitären" – die Identitäre Bewegung Österreichs wurde 2012 gegründet –, laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes handelt es sich bei der IBÖ um eine rechtsextreme Jugendorganisation mit vielfältigen faschistischen Anklängen in Theorie, Ästhetik, Rhetorik und Stil.

Literatur: Claus-Ekkehard Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, 1998; Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß, Enzyklopädie des Nationalsozialismus, 1997; Christof Dipper, Rainer Hudemann, Jens Petersen (Hrsg.), Faschismus und Faschismen im Vergleich, 1993; Roger Griffin, Fascism, 3 Bde., 2004; Reinhard Kühnl, Faschismustheorien. Ein Leitfaden, 1990; Ernst Nolte, Der Faschismus in seiner Epoche, 1963; Stanley Payne, Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung, 2001; Richard Saage, Faschismustheorien, 1997; Wolfgang Wippermann, Faschismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute, 1997.