Der ausgebildete Chemiker Robert Ehrenzweig, der in Berlin Erfahrungen an der berühmten Piscator-Bühne sammeln konnte, war von 1926 bis 1933 gemeinsam mit Victor Grünbaum Leiter und Co-Autor des der Sozialdemokratie nahestehenden Politischen Kabaretts und Anfang der 1930er Jahre Redakteur des Vorwärts-Verlages sowie Herausgeber der Zeitschrift Die politische Bühne.
1931 zeichnete Robert Ehrenzweig auch für das pathetische Massenfestspiel im Praterstadion verantwortlich, das anlässlich der 2. Arbeiter-Olympiade aufgeführt wurde und die Geschichte vom Aufstieg der Arbeiterbewegung erzählte.
Im April 1934 floh er nach London, wo er zunächst als Korrespondent für die "Neue Freie Presse" arbeitete. Von 1938 bis 1967 war Ehrenzweig Mitarbeiter des "German Service" der BBC.
Berühmt wurde Ehrenzweig als Autor der fiktiven Briefe, die der Gefreite Hirnschal an seine Frau Amalia ins heimatliche Zwieselsdorf schrieb. Produziert und ausgestrahlt wurde die Serie vom Dezember 1940 bis Kriegsende Anfang Mai 1945; im letzten Kriegsjahr soll die Sendung mehrere Millionen regelmäßige Hörer zu verzeichnen gehabt haben. Vorbild der schon für das "Politische Kabarett" entwickelten Hirnschal-Figur war Jaroslav Haseks "braver Soldat Schwejk" – ein scheinbar einfältiger, in Wirklichkeit aber lebenskluger und listiger Mann, der die Verlogenheit und Absurdität der NS-Propaganda entlarvte, indem er sie beim Wort nahm und mit der Wirklichkeit konfrontierte.
So konnten die Zuhörer zum Beispiel am 29. November 1943 aus dem Äther vernehmen, was der Gefreite Hirnschal seinem Kameraden Emil Jaschke auf dessen Vermutung, Hitler sei verrückt, entgegnete: Nein, Emil, unser geliebter Führer ist nicht verrückt – er weiß genau, was er will: unser geliebter Führer bleiben, solange es nur geht, und es spielt für ihn überhaupt keine Rolle, wenn eine deutsche Stadt nach der anderen in einen Trümmerhaufen verwandelt wird, wenn Hunderttausende Geschäfte zugrunde gehen, wenn die Fabriken zerstört werden, wenn die Familien zerrissen werden, wenn die Frauen und Kinder verkommen. Für ihn spielt nur eines eine Rolle: daß er weiter der Führer bleibt, selbst wenn der Krieg weitergeht, bis in Deutschland kein Stein mehr auf dem anderen liegt und bis wir ein Volk von verhungerten, verseuchten, verluderten Bettlern sind – bis fünf Minuten nach zwölf.
Werk: Robert Lucas, Adolf Hirnschal, Gefreiter in Russland, 1943; ders., Die Briefe des Gefreiten Hirnschal. BBC-Radio-Satiren 1940–1945, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Uwe Naumann, 1994.
Literatur: Miriam Kruppa, Satire und Nationalsozialismus. Robert Lucas Briefe des Gefreiten Hirnschal an seine Frau in Zwieselsdorf, 2002.