Teure Amalia, vielgeliebtes Weib!

Robert Ehrenzweig / Robert Lucas

E

21. Juli 1944 

Du kannst Dir die Aufregung nicht vorstellen, die wo es jetzt bei uns gibt wegen dem Anschlag auf unseren geliebten Führer, und der Hans-Joachim Blitz meint, man sollte es nicht glauben, wie plötzlich uns so ein Schicksalsschlag treffen kann, und wenn der Attentäter seine Aktenmappe nur einen Schritt weiter rechts oder einen Schritt weiter links niedergestellt hätte, dann hätten wir vielleicht heute schon den schönsten Frieden, aber zum Glück hat die Vorsehung diese Katastrophe verhindert. Und gerade wie er das sagt, kommt der Oberleutnant Hanke und hält eine kurze Ansprache, wo er erklärt, es ist ein großes Wunder geschehen, und das ist ein Beweis, daß die Vorsehung auf unserer Seite ist, und das ganze deutsche Volk steht geschlossen hinter unserem geliebten Führer, und wir werden siegen mit Hilfe des Führers, der Vorsehung und der neuen V-Waffen. [...] da gibt es Fliegeralarm und gleich darauf krachen die Bomben nieder und eine ist ein Volltreffer, und wie wir nach den Toten und Verwundeten suchen, da finden wir, es hat auch den armen Hans-Joachim Blitz erwischt und es ist aus mit ihm. Und wie der Jaschke und ich vor ihm stehen, da sage ich: "Er hat gehinkt, aber er war ein gerader Kerl, Emil." Und der Jaschke hat einen Gesichtsausdruck, wie ich ihn noch nicht gesehen habe, und seine Stimme ist ganz heiser wie er sagt: "Ja, heute ist's er. Und morgen bin vielleicht ich es. Und übermorgen du, Hirnschal." Und ich sage: "Ja, Emil, so ist's. Viele Zehntausende, die wo heute noch am Leben sind, werden elend krepieren, so wie der Hans-Joachim Blitz. 

Und viele Städte, die wo heute noch stolz und schön sind, werden in Schutt und Asche gelegt werden. Und viele Frauen und Kinder werden verhungern und an Seuchen sterben. Und das alles nur, weil eine Aktenmappe nicht einen Schritt weiter rechts oder einen Schritt weiter links gestanden ist. Wenn das die Vorsehung so gewollt hat..." 

Und in diesem Sinne, mein vielgeliebtes Weib, grüßt und küßt Dich
Dein Dich liebender Adolf
Gefreiter im Westen
 

Quelle: Briefe des Gefreiten Hirnschal, Frankfurt 1984:157ff. Verein zur Förderung und Erforschung der antifaschistischen Literatur. (Quelle: www.literaturepochen.at)