Dachaulied

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Der Komponist Herbert Zipper berichtete im Jahre 1988 der "Österreichischen Musikzeitschrift", wie das Dachaulied tatsächlich entstanden ist:

 
 
 

Im August 1938 im Konzentrationslager Dachau: Jura Soyfer und ich mussten eine ganze Woche lang einen Lastwagen mit Zementsäcken beladen, die außerhalb des Lagers gestapelt waren. Anschließend mussten wir diesen Wagen ins Lager ziehen und wieder entladen. Deshalb sind wir täglich bis zu dreißigmal durch das Eingangstor des Lagers durchgegangen.

Eines Tages – es war, glaube ich, der dritte oder vierte Tag – sagte ich zu Jura, der an derselben Stange wie ich gezogen hat: "Weißt Du, diese Aufschrift über dem Tor – Arbeit macht frei – ist wirklich ein Hohn. Wir müssen unbedingt ein Widerstandslied machen, unseren Mitgefangenen ein bisschen Mut geben." Und Jura antwortete: "Ja, ich glaube, ich habe sogar schon daran gearbeitet." [...]

Es war etwa drei Tage später – wir mussten dann in einer Kiesgrube arbeiten, wo wir bis zum Bauch im Wasser gestanden sind–, als Jura zu mir kam und sagte, dass er schon fertig sei und mir den Text vortrug, denn aufschreiben konnte man ihn natürlich nicht. Wenn man einen solchen Text gefunden hätte, dann wäre das eine Todesursache gewesen oder man wäre wirklich sehr, sehr unangenehm behandelt worden. Und so habe ich den Text eben auswendig gelernt.

Zipper war es gewohnt, im Kopf zu komponieren. Das war im KZ von Vorteil, denn so musste er nichts niederschreiben. Das Dachau-Lied ist ein Marschlied, in dem sich die Häftlinge selbst Mut zusprechen. Die in den KZs herrschende Unmenschlichkeit und Gewalt wird nur angedeutet; die Greuel des KZ sollten in der Vorstellung des Zuhörers entstehen, weil die Vorstellung immer stärker ist, als die Wirklichkeit.

Herbert Zipper wurde im Februar 1939 aus dem KZ-Buchenwald entlassen; Jura Soyfer starb im selben Monat in Buchenwald an Typhus.