Arbeiterkammer (Kammer für Arbeiter und Angestellte, AK)

4., Prinz-Eugen-Straße 20-22

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Schon im 19. Jahrhundert tauchte die Forderung auf, nach dem Beispiel der Handelskammer, der Ärzte- und Architektenkammer auch eine Arbeiterkammer als gesetzliche Interessensvertretung der Arbeitnehmer einzurichten.

Allerdings konnte diese Forderung erst nach dem Ersten Weltkrieg durchgesetzt werden. Am 26. Februar 1920 beschloss der Nationalrat das von Sozialminister Ferdinand Hanusch initiierte Gesetz, nach welchem nun in jedem Bundesland eine solche Kammer eingerichtet werden konnte. Wien und Niederösterreich besaßen von 1920 bis 1934 eine gemeinsame Arbeiterkammer.

Von der Gründung im Jahr 1920 bis zur Übersiedlung in die Prinz-Eugen-Straße hatte die Wiener Arbeiterkammer ihren Sitz in der Ebendorferstraße 7 in der Inneren Stadt; am 19. April 1945 wurde hier das Provisorische Sekretariat der SPÖ eingerichtet. Bis zur Errichtung der neuen ÖGB-Zentrale im Catamaran hatte hier die Gewerkschaft Bau-Holz ihren Sitz.

Die Arbeiterkammern stellen eine österreichische Besonderheit dar. Ursprünglich waren zwei unterschiedliche Sektionen für Arbeiter und Angestellte vorgesehen.

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Durch eine Gesetzesnovelle vom 1. Oktober 1920 wurde für die Mitarbeiter der Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs eine weitere Sektion eingerichtet. In jedem der neun Bundesländer besteht eine eigene Arbeiterkammer; gemeinsam bilden sie die Bundesarbeitskammer, die für ganz Österreich zuständig ist. Zur Koordinierung der Aktivitäten wurde der – zumindest zweimal jährlich tagende – Österreichische Arbeiterkammertag eingerichtet.

1933 wurden die Arbeiterkammern von der Regierung gleichgeschaltet, im März 1938 verboten und 1945 wiederhergestellt. Aufgabe der Kammern für Arbeiter und Angestellte ist es, die Interessen der unselbständig Beschäftigten zu vertreten und zur Hebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeitnehmer und ihrer Familien beizutragen. Dazu gehören die Mitwirkung bei der Gesetzgebung (in Form von Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen) und die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen.

Die Arbeiterkammern erstatten Vorschläge an die Verwaltungsbehörden, entsenden Vertreter in Körperschaften und sonstige Einrichtungen (zum Beispiel Sozialversicherungsträger) und wirken bei allen Maßnahmen mit, die das Arbeitsverhältnis betreffen. Sie sind berechtigt, die Besichtigung von Arbeitsstätten bei den Arbeitsinspektoraten zu beantragen und Lehrlings- und Jugendschutzstellen einzurichten. Im Lehrlingswesen besitzen sie eine Reihe wichtiger Befugnisse.

TF_AK_Modell_AKDie Arbeiterkammern arbeiten eng mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten zusammen. Seit 1992 haben alle Mitglieder Anspruch auf Rechtsschutz in arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten.

Für eine jeweils fünfjährige Funktionsperiode wird die Vollversammlung von den ArbeitnehmerInnen – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – direkt gewählt. Die anderen Organe werden indirekt gewählt oder bestellt.
Die Organe der Kammern für Arbeiter und Angestellte sind: Hauptversammlung, Vorstand, Präsidium, Präsident, Ausschüsse, Fachausschüsse und Kontrollausschuss. Das Büro der Arbeiterkammer Wien besorgt auch die Geschäfte der Bundesarbeitskammer.
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Die Kammern für Arbeiter und Angestellte werden durch Umlagen finanziert, die von allen kammerzugehörigen ArbeitnehmerInnen zu entrichten sind und durch den Dienstgeber einbehalten werden.

Die Arbeiterkammer Wien zählt derzeit etwa 914.000 Mitglieder; jährlich werden hier an die 400.000 Anfragen bearbeitet. Die Bibliothek der AK-Wien, 4., Prinz-Eugen-Straße 20-22, bietet derzeit einen Bestand von ca. 400.000 Bänden und ca. 1.200 in- und ausländischen Fachzeitschriften. Darüber hinaus organisiert die Arbeiterkammer Wien auch regelmäßig Diskussionsveranstaltungen unter dem Titel Wiener Stadtgespräch.

An der Stelle des Arbeiterkammergebäudes in der Prinz-Eugen-Straße stand vor dem Krieg ein Palais der Familie Rothschild, das im Zweiten Weltkrieg durch Bombentreffer schwer beschädigt und schließlich abgerissen wurde.

TF_Palais_Rothschild_zerstoert_AKAn seiner Stelle wurde in den Jahren 1957 bis 1960 nach Plänen von Franz Mörth das heutige Gebäude der Kammer für Arbeiter und Angestellte errichtet. Ein neues Beratungszentrum wurde 2008 gartenseitig angebaut.

Eine Gedenktafel in der Eingangshalle erinnert daran, das sich während des NS-Regimes hier die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" befand, in der für Tausende Menschen die erzwungene Emigration oder Deportation begann.

Publikationen: Die Arbeiterkammern geben Informationsbroschüren, Servicematerialien und wissenschaftliche Untersuchungen zu den unterschiedlichsten Themenbereichen heraus. Für Mitglieder und Interessierte gibt es überdies eine Reihe regelmäßig erscheinender Zeitschriften.
Literatur: Arbeiterkammerrecht, 1993; Günther Chaloupek (Hrsg.), 75 Jahre Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer, 1996; Luise Ungerboeck, Zur Geschichte der Arbeiterkammern in Österreich 1848-1921, 1994; Erwin Weissel, Die Arbeiterkammer, in: Herbert Dachs, Handbuch des politischen Systems Österreichs, 1992.