Karpeles, Benno

8.10.1868, Wien – Januar 1938, Wien

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Benno Karpeles studierte von 1894 bis 1897 Wirtschaftswissenschaft in London, wo er u.a. auch Bekanntschaft mit den Führern der britischen Arbeiterbewegung machte und einige Zeit lang als Londoner Korrespondent der Arbeiter-Zeitung tätig war. Von 1897 bis 1899 engagierte sich Karpeles in der Schweiz für den Aufbau einer internationalen sozialdemokratischen Bewegung; nach seiner Rückkehr nach Wien wurde er sozialpolitischer Redakteur bei der Arbeiter-Zeitung und Vertreter der österrreichischen Gewerkschaften bei der Zweiten Internationale.

Ab 1904 widmete sich Karpeles der Organisation der österreichischen Konsumgenossenschaften. Sein Projekt der Hammerbrotwerke brachte die Partei, nicht zuletzt auch aufgrund der Hinhaltepolitik des christlich-sozialen Bürgermeisters Karl Lueger und der daraus resultierenden Kostenexplosion, in große finanzielle Schwierigkeiten.

Diese Spannungen führten dazu, dass Karpeles nach 1918 der eigenen Partei zunehmend kritisch gegenüberstand – u.a. auch in der von ihm initiierten Wochenschrift "Der Friede" (1918/19).

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"Der Friede" verstand sich als Gegenspieler zur "Reichspost", dem "Hauptblatt der Kriegshetzer" von 1918. Sein Programm war kurz, prägnant und sehr ehrgeizig: Nachdem die kriegerischen Versuche, Europa deutsch und österreichisch zu machen, gescheitert sind, wollen wir nun versuchen, Deutschland und Österreich europäisch zu machen. 

In der kurzen Zeitspanne des Erscheinens der Zeitschrift gelang es Karpeles, einen Kreis von Mitarbeitern aufzubauen, der das gesamte intellektuelle und politische Spektrum von der bürgerlichen Mitte bis zur anarchistisch oder spartakistisch orientierten Linken abdeckte (Amann). Dazu gehörten solche illustren Persönlichkeiten wie Alfred Adler, Peter Altenberg, Hermann Broch, Max Brod, Paul Claudel, Anatole France, André Gide, Maxim Gorki, Stefan Großmann, Albert Paris Gütersloh, Theodor Heuss, Egon Erwin Kisch, Paul Kornfeld, Anton Kuh, Heinrich Lammasch, Karl LeuthnerAdolf Loos, Thomas Mann, Robert Musil, Leo Perutz, Romain Rolland, Josef Luitpold Stern, Franz Werfel und Hugo Wolf. Den Kern der Redaktion bildeten neben Karpeles Karl Tschuppik, Richard A. Bermann alias Arnold Höllriegel und Alfred Polgar für die Literaturredaktion.

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1919 gründete Benno Karpeles die Zeitung "Der Neue Tag", in der u.a. auch der junge Joseph Roth unter der Rubrik "Wiener Symptome" ersten literarischen Ruhm erwarb. Die linksgerichtete Zeitung, der bei ihrer Gründung von den Finanziers die völlige Unabhängigkeit der Redaktion zugesichert worden war, musste nach nur einem Jahr ihr Erscheinen wieder einstellen.

Karpeles konvertierte später zum Katholizismus und bemühte sich vergeblich, die Sozialdemokratie mit der Kirche zu versöhnen.

Literatur: Klaus Amann, Die Dichter und die Politik, Essays zur österreichischen Literatur nach 1918, 1992.