Muriel Morris war die jüngste Tochter eines Fleischverarbeitungsmagnaten in Chicago. Sie wuchs in großem Wohlstand auf, entwickelte aber schon als Jugendliche ein starkes soziales Gerechtigkeitsgefühl. 1918 ging sie für vier Jahre aufs Wellesley College bei Boston, um Literatur und Geschichte zu studieren. Anschließend verbrachte sie ein Jahr in Rom, ging zum Literaturstudium nach Oxford, heiratete – aus dieser kurzen Verbindung entstammte ihre Tochter Constance – und kam 1926 schließlich nach Wien, um eine Analyse bei Sigmund Freud zu absolvieren. Nachdem dieser sie als Patientin abgelehnt hatte, inskribierte Muriel Gardiner Medizin an der Universität Wien.
Während ihr Partner Joseph Buttinger einige Tage nach dem "Anschluss" nach Frankreich flüchtete, blieb Muriel Gardiner noch in Wien, wo sie nach einer Reihe von Schikanen (als "jüdischer Mischling ersten Grades") im Juni 1938 zur Dr. med. promovierte. Wenig später wurde sie zur Ausreise gezwungen und begab sich nach Paris, wo Joseph Buttinger bereits als Obmann der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten tätig war. Nach ihrer Heirat in Paris emigrierten Buttinger und Gardiner 1939 in die USA, wo sie beide jahrelang in der Flüchtlingshilfe engagiert waren.
Muriel Gardiner war in späteren Jahren als Ärztin und Psychoanalytikerin tätig. International bekannt wurde sie durch die Herausgabe von "The Wolf-Man by the Wolf-Man", der Dokumente zu einem der berühmtesten Fälle Sigmund Freuds ("Aus der Geschichte einer infantilen Neurose", 1914).
1989 wurde der Muriel-Gardiner-Buttinger-Platz in Favoriten zu ihrem Andenken benannt.
Werk: The wolf-man and Sigmund Freud, 1972; Damit wir nicht vergessen. Unsere Jahre 1934 bis 1947 in Wien, Paris und New York, 1978; Mörder ohne Schuld. Wenn Kinder töten, Gründe und Hintergründe, 1979; Der Wolfsmann vom Wolfsmann. Sigmund Freuds berühmtester Fall. Erinnerungen, Berichte, Diagnosen, 1982 (mit Sergej Pankejew); Deckname "Mary": Erinnerungen einer Amerikanerin im österreichischen Untergrund, 1989.