Fabier

F

Gegründet wurde die Fabian Society (FS) 1884 von der späteren Kinderbuchautorin Edith Nesbit (1858–1924) und ihrem Lebensgefährten Hubert Bland (1855–1914) als Londoner Debattierklub.

Die Fabier waren eine Gesellschaft von sozialreformerischen Intellektuellen, die sich nach dem römischen Feldherrn Quintus Fabius Maximus (genannt Cunctator, "der Zauderer") nannten, der die letztlich erfolgreiche Taktik des hinhaltenden Widerstandes gegen die militärisch überlegenen Karthager entwickelt hatte.

Die Mitglieder der Fabian Society waren vorwiegend bürgerliche Intellektuelle, die dem proletarischen Klassenkampf und der sozialistischen Revolution ablehnend gegenüberstanden und statt dessen den friedlichen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus mittels sozialer Reformen propagierten. Statt auf herkömmliche Parteiarbeit setzte die ihrem Ursprunge und ihren Mitgliedern nach zur Bourgeoisie gehörende Gesellschaft auf das beharrliche Einwirken auf die intellektuellen und politischen Eliten des Landes, auf deren "Durchdringung" und Einsicht.

Friedrich Engels hielt die jebildeten Sozialisten der Fabian Society ebenso wie die deutschen "Kathedersozialisten" für nützliche Idioten der Bourgeoisie und betonte dagegen: Wir glauben nicht an die Durchdringung der bürgerlichen Parteien. Wir durchdringen das Volk. 

1893 gründete der Nationalökonom Otto Wittelshöfer (1855–1901) eine "Wiener Fabier-Gesellschaft" nach englischem Vorbild. 1896 entwickelte sich daraus die "Sozialpolitische Partei", die sowohl im Wiener Gemeinderat als auch im Niederösterreichischen Landtag vertreten war und zu deren prominentesten Mitgliedern der Journalist Engelbert Pernerstorfer, der spätere Bundespräsident Michael Hainisch und der Nationalökonom Eugen von Philippovich gehörten. Die Fabier-Gesellschaft löste sich 1901 auf, und auch der realpolitische Einfluss der "Sozialpolitischen Partei" blieb gering.

Nach dem Sieg der Sozialdemokraten bei den ersten freien Gemeinderatswahlen im Mai 1919 engagierten sich viele "bürgerliche Sozialisten" fortan in der SDAP, und auch in England gingen die Fabier nach 1918 im größeren Strom des Reformismus der Labour Party auf.

Literatur: Herbert Frei, Fabianismus und Bernstein'scher Revisionismus 1884-1900. Eine ideologie-komparatistische Studie über wissenschaftstheoretische, philosophische, ökonomische, staatstheoretische und revolutionstheoretische Aspekte der Marx'schen, fabischen und Bernstein'schen Theorie, 1979; Eva Holleis, Die Sozialpolitische Partei. Sozialliberale Betrebungen in Wien um 1900, 1978; Edgar Reichel, Der Sozialismus der Fabier. Ein Beitrag zur Ideengeschichte des modernen Sozialismus in England, 1947; Peter Wittig, Der englische Weg zum Sozialismus. Die Fabier und ihre Bedeutung für die Labour Party und die englische Politik, 1982.