Arbeitsamt Liesing

23., Dr.-Neumann-Gasse 7

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A

Das Arbeitsamt Liesing entstand in der Tradition der Bauhaus-Architektur und gehörte zu den radikalsten Entwürfen der Wiener Moderne in der Zwischenkriegszeit. Der Bau war 1930 der erste große Auftrag an den Architekten Ernst A. Plischke, der unter Oskar Strnad und Peter Behrens ausgebildet wurde und in Österreich die Position einer rationalen Architektur im Sinne Le Corbusiers vertrat.

Der Entwurf Plischkes ging weit über die Vereinfachung des Internationalen Stils hinaus und zielte auf eine differenzierte Einheit von Bauplastik und Funktion, Raumkonzept und Konstruktion (nextroom.at). Erwähnenswert ist die Transparenz und optische Leichtigkeit des Bauwerks, die besonders beim Glasprisma des Stiegenhauses zur Geltung kommt, sowie die Konstruktion in Stahlbeton-Skelettbauweise, deren Trägerelemente die räumliche Disposition bestimmen und Haltepunkte für die großzügigen Fensterflächen darstellen, die den Ablauf im Gebäude selbst sichtbar machen und mit Hilfe der Architektur einen "neuen Beamtengeist" schaffen sollten. Dies, sowie die organisatorischen und technischen Raffinessen des Innenausbaus, machten den damals erst 28jährigen Architekten mit einem Schlag berühmt. Nicht zufällig wurde dieser Bau in Alberto Sartoris Standardwerk "Gli elementi dell' architettura funzionale" (1935) als einziges österreichisches Beispiel erwähnt.

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Wie viele andere österreichische Kulturschaffende auch wurde Plischke durch den Faschismus in die Emigration getrieben – er ging 1939 nach Neuseeland. Einer seiner Kollegen wurde vom NS-Regime beauftragt, die filigrane Konstruktion durch eine dichte Verpackung "stabiler" zu gestalten und ihr damit die Leichtigkeit und Transparenz zu nehmen. Nach der Schließung des Gebäudes ließ die Republik das Haus jahrelang verfallen. Erst nachdem die Wiener "Stadterneuerungs- und Eigentumswohnungs GmbH" (SEG) das ehemalige Arbeitsamt aus dem Fundus der Bundesimmobiliengesellschaft erworben hatte, konnte in den Jahren 1996 bis 1998 die Rekonstruktion durch Plischkes Schüler Hermann Czech in Angriff genommen werden. Dabei wurden die ursprüngliche Konstruktion freigelegt, spätere Zubauten entfernt und die zerstörten Verglasungen rekonstruiert.

Zur besseren Nutzbarkeit des Gebäudes als Büro ergänzte Czech die Fenster der ehemaligen Warteräume durch tieferliegende Öffnungen, wodurch eine direkte Belichtung der neuen Arbeitsplätze möglich wurde. Neben einer Büroeinheit mit 335 Quadratmetern entstanden im Obergeschoss auch zwei Wohnungen.

Ernst A. Plischke selbst kehrte 1963 nach Wien zurück, wo er am 23.5.1992 starb.

Literatur: Eva Mattes, Ernst Anton Plischke. Die Synthese von Raumkonzept und Bauplastik als Ziel der Architektur, 1992; Antony James Matthews, E. A. Plischke – the connection between theory and form, 1986; August Sarnitz und Eva B. Ottillinger, Ernst Plischke, modern architecture for the New World, the complete works, 2004; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.