Ludwig Anzengruber, der aus einer oberösterreichischen Bauernfamilie stammte, begann 1853 zunächst eine Lehre als Buchhändler und wurde 1860 Schauspieler bei verschiedenen Wandergruppen, mit denen er die Provinztheater bereiste. Sein Stück "Der Pfarrer von Kirchfeld" machte ihn berühmt.
1869/70 arbeitete er vorübergehend in einer Wiener Polizeikanzlei; ab 1871 war er als freier Schriftsteller tätig. In seinen 19 Volksstücken sowie seinen Romanen und Erzählungen aus dem Leben der Alpenbauern und der städtischen Kleinbürger übte er scharfe Kritik an der Gesellschaft und der sozialen Lage, und bekämpfte sittliche Engherzigkeit und religiöse Intoleranz.
Seine realistische Kunst ist der Tradition des Wiener Lokalstücks und des Volkstheaters eines Ferdinand Raimund oder Johann Nestroy verpflichtet, nimmt aber ebenso naturalistische Stilelemente vorweg ("Das 4. Gebot", 1877). Die Sprache in seinen Dramen ist eine stilisierte Mundart.
Von 1882 bis 1884/85 leitete er die Zeitschrift "Die Heimat" und von 1884 bis 1889 das Witzblatt "Figaro".
Die Anzengrubergasse in Margareten wurde 1890 nach dem Schriftsteller benannt. Und am Sterbehaus des Dichters, 6., Amerlingstraße 2, erinnert eine Gedenktafel an ihn.
Werk: - Volksstücke: Der Pfarrer von Kirchfeld, 1871; Der Meineidbauer, 1872; Die Kreuzelschreiber, 1872; Der G'wissenswurm, 1874; Doppelselbstmord, 1876. Das vierte Gebot, 1878. - Erzählungen: Die Märchen des Steinklopferhannes, 1874/75; Kalendergeschichten, ab 1876. - Romane: Der Schandfleck, 1877; Der Sternsteinhof, 1885 (Erstdruck 1883/84 in "Die Heimat"). - Kritische Gesamtausgabe in 17 Bänden, herausgegeben von Rudolf Latzke und Otto Rommel, 1920-22 (Neudruck 1976).
Literatur: Anton Bettelheim, Ludwig Anzengruber, 1891; Karlheinz Rossbacher, Literatur und Liberalismus. Zur Kultur der Ringstraßenzeit in Wien, 1992.