Kein Wiener Kind darf auf Zeitungspapier geboren werden.
Nachdem Julius Tandler im Jahr 1920 Amtsführender Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen geworden war, konnte er beginnen, seine sozialpolitischen Ideen in die Tat umzusetzen. Viele seiner Initiativen bestehen bis heute, so etwa das im Jahr 1927 eingeführte Säuglingswäschepaket, eine kostenlose "Erstausstattung" für Neugeborene.
Da 1927 auch ein Wahljahr war, wurde das Wäschepaket von der Opposition abschätzig als "Wahlwindeln" diffamiert. Die Säuglingswäschepakete wurden, so wie viele andere sozialdemokratische Errungenschaften, durch die sogenannten "Breitnersteuern" des erfinderischen Finanzstadtrates Hugo Breitner finanziert.
1927 enthielt das Säuglingswäschepaket vierundzwanzig Tetrawindeln, sechs gewirkte Jäckchen mit Ajourabschluß, ein großes Frottierbadetuch, sechs praktische Hemdchen, ein Badetuch, zwei Nabelbinden, ein Tragkleidchen aus Pikee, eine lichtblaue Flanelldecke und zwei Kautschukeinlagen – es fehlt wirklich nichts. Auch an Seife, Creme und Hautpuder, das Dreigestirn der Säuglingspflege, ist gedacht, schrieb die Arbeiter-Zeitung.
Überreicht wurde das Wäschepaket damals noch persönlich im Rahmen eines Hausbesuches, bei dem die Fürsorgerinnen auch einen Blick auf die familiären Verhältnisse des Neugeborenen werfen sollten. 1934 wurde das kostenlose Säuglingswäschepaket von den Austrofaschisten abgeschafft.
Die Aktion konnte erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen werden. Die ersten Pakete wurden 1947 verteilt, zunächst allerdings nur an die bedürftigsten Familien – insgesamt 250 pro Monat.
Erst ein Gemeinderatsbeschluss im Jahr 1949 ermöglichte es, die Gratispakete wieder allen Müttern zukommen zu lassen. Ein Wäschepaket beinhaltete damals zehn Windeln, zwei Flanelle, eine Wolljacke, vier Hemden, vier Jäckchen, einen Strampelanzug, eine Gummieinlage sowie eine Garnitur mit Hautpulver, Hautcreme und Seife – die Ausstattung variierte über die Jahre.
1956 konnte der damalige Bürgermeister Franz Jonas bereits das achtzigtausendste Säuglingswäschepaket seit der Wiedereinführung der Aktion überreichen.
Heute erhalten die Eltern von der MAG ELF wahlweise eine Säuglingsausstattung mit Wickelrucksack oder eine Kleinkinderausstattung mit einem Kleinkinderrucksack.
Der abwaschbare, leuchtend blau-rot-gelbe Rucksack mit dem reflektierenden MAG ELF-Logo ist zudem im doppelten Sinn kinderfreundlich, wie die damalige Vizebürgermeisterin Grete Laska bei der Einführung erklärte: "Wir haben nämlich darauf geachtet, dass er unter Ausschluss von Kinderarbeit hergestellt wird."
Literatur: Gabriele Ziering, 90 Jahre Jugendamt Ottakring, 2002.