Mit ursprünglich 1.576 Wohnungen ist Sandleiten das größte Wohnbauprojekt der Gemeinde Wien in der Ersten Republik.
Nachdem die Gemeinde Wien einen Wettbewerb ausgeschrieben hatte, bei dem u.a. Ernst Lichtblau das Projekt einer kreisförmigen Verbauung einreichte, wurde der Auftrag schließlich an drei Architektengemeinschaften vergeben: Emil Hoppe, Otto Schönthal und Franz Matuschek wurden für den Bereich südlich der Rosenackerstraße auserkoren, Siegfried Theiß und Hans Jaksch sowie Franz Krauß und Josef Tölk für die offene Verbauung nördlich der Rosenackerstraße. Mit den Bauarbeiten wurde 1924 begonnen; 1928 war die Anlage fertiggestellt. Die z.T. freistehenden Bauten stehen in einem parkähnlichen Gebiet, das nur von wenigen Straßen durchzogen wird.
Die sonst im "Roten Wien" bevorzugte Hofform wurde hier ganz bewusst nicht gewählt, um das Schreckgespenst der Kaserne und der anonymen, rasterartigen Trabantenstadt zu vermeiden.
Entsprechend des Charakters einer in mehrere Einheiten gegliederten und wie organisch gewachsenen "Stadt in der Stadt" – mit kleinen Plätzen, Brunnen, Stiegen, Terrassen und Pergolen – wurden auch zahlreiche Gemeinschaftseinrichtungen geschaffen: 75 Geschäftslokale, ein Gast- und Kaffeehaus, drei Ateliers, 58 Werkstätten, 71 Magazine, eine Kehrichtsammelstelle, drei Bade- und Wäschereianlagen, eine Apotheke, drei Kinderhorte und ein Postamt, sowie der zentrale Matteotti-Platz mit Brunnenanlage.
Vorbildcharakter besaßen auch die elegant eingerichtete Volksbibliothek (heute Städtische Bücherei), der für 600 Personen angelegte Kino- und Theatersaal und das moderne Kindergartengebäude nach einem Entwurf von Erich Leischner.
Zur Infrastruktur Sandleitens gehörten darüber hinaus auch der gegenüber gelegene Kongresspark und das benachbarte Kongressbad (1928).
Der Sandleiten-Hof zählt zweifelsohne zu den interessantesten Gemeindewohnanlagen des "Roten Wien" – auch wenn die eklektische Stilvielfalt von barocken, expressionistischen, jugendstilartigen und kubistischen Formen mitunter etwas befremdlich wirkt.
Um die Mittagszeit des 12. Februar 1934 versuchte die Polizei in Sandleiten einzudringen, wurde jedoch mit Schüssen zurückgewiesen. Die Regierung mobilisierte daraufhin Verstärkung in Form einer Polizeialarmkompanie mit fünf Maschinengewehren sowie Bundesheereinheiten mit 200 Soldaten, vier Kanonen, zehn Maschinengewehren und zwei Minenwerfern. Von der Hernalser Hauptstraße aus wurde der Angriff im Raum Güpferlingstraße – Kainzgasse vorbereitet, die Kanonen wurden im Kongresspark in Schussstellung gebracht.
Während des Ständestaates wurde in der Sandleitengasse nachträglich die katholische Pfarrkirche St. Josef (1935/36) errichtet, von vielen Bewohnern despektierlich "Vater-unser-Garage" genannt.
Literatur: Hans und Rudolf Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009.