Jonas, Franz

4.10.1899, Wien – 24.4.1974, Wien

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Der Sohn eines Floridsdorfer Hilfsarbeiters erlernte das Buchdruckergewerbe, musste jedoch noch vor Abschluss der Lehre zum Militär einrücken. Nach dem Ersten Weltkrieg diente er in der Volkswehr und nahm am Kärntner Abwehrkampf teil.

Von 1919 bis 1923 arbeitete Franz Jonas als Schriftsetzer, zuletzt als Korrektor. In dieser Zeit war er Funktionär der Buchdruckergewerkschaft, der Sozialistischen Arbeiterjugend, der Naturfreunde, der Arbeiterturner und der Arbeiter-Esperantisten, für die er die Zeitung "La Socialisto" redigierte.

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1930 absolvierte Jonas die Arbeiterhochschule in Döbling; 1933 wurde er Bezirkssekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in seinem Heimatbezirk Floridsdorf.

Im Februar 1934 floh er, so wie viele andere, in die Tschechoslowakei, kehrte jedoch schon im Juli zurück, um hier die illegale Arbeit aufzunehmen. Anfang 1935 wurde Franz Jonas verhaftet; nach 14 Monaten Untersuchungshaft musste er im Sozialistenprozess (März 1936) mangels an Beweisen freigesprochen werden.

In den folgenden Jahren arbeitete Jonas in der Floridsdorfer Lokomotivfabrik. Weil seine Arbeit "kriegswichtig" war, musste er nicht einrücken. Während des Krieges befasste er sich intensiv mit sozialistischer Literatur und gehörte 1945 zu den Persönlichkeiten der ersten Stunde.

Jonas war von 1946 bis 1948 Bezirksvorsteher von Floridsdorf. Im Juni 1948 übernahm er die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe im hungernden Wien und wurde Amtsführender Stadtrat für das Ernährungswesen. Im Dezember 1949 erhielt er die Hauptverantwortung für den Wiederaufbau übertragen: der Gemeinderat wählte ihn zum Amtsführenden Stadtrat für Bauangelegenheiten.

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Nachdem Bürgermeister Theodor Körner zum Bundespräsidenten gewählt worden war, erhielt Jonas am 22. Juni 1951 das Amt des Bürgermeisters und Landeshauptmanns von Wien übertragen. Er übte dieses Amt 14 Jahre lang aus, länger als irgend ein anderer demokratisch gewählter Bürgermeister vor ihm.

Darüber hinaus war Franz Jonas von 1949 bis 1965 Gemeinderat, von 1952 bis 1953 Mitglied des Bundesrates, von 1953 bis 1965 Abgeordneter zum Nationalrat, von 1945 bis 1949 stellvertretender Obmann und von 1949 bis 1964 Obmann der Wiener SPÖ.

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Am 1. Juni 1965 wurde Franz Jonas mit 50,7% der Stimmen gegen den ÖVP-Konkurrenten Gorbach zum Bundespräsidenten gewählt und am 25.4.1971 mit 52,8% der Stimmen gegen den ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheim wiedergewählt. In diesem höchsten Staatsamt war Jonas stets um einen verantwortungsbewussten Interessensausgleich zwischen den demokratischen Parteien bemüht.

Franz Jonas hat die schwierige Periode des Wiederaufbaus, in der aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges ein neues Wien errichtet wurde, entscheidend mitgeprägt; in seine Ära fallen die großen Wohnbauleistungen, der Ausbau und die Modernisierung der Spitäler, die Verwirklichung von Großprojekten wie der Bau der Wiener Stadthalle und des Historischen Museums, die Errichtung der Passagen an der Ringstraße – denen die Wiener prompt Namen wie "Jonasgrotte" oder "Jonasreindl" gaben – und die grundlegende Erneuerung der Wiener Versorgungseinrichtungen.

Jonas hatte auch wesentlichen Anteil daran, dass Wien international an Bedeutung gewinnen konnte. Die ersten Ansiedlungen internationaler Organisationen, wie der Internationalen Atomenergie Organisation im Jahr 1956, die Abhaltung der Wiener Festwochen seit 1951, der wichtige Beitrag Wiens zur Versorgung der ungarischen Flüchtlinge im Oktober 1956 und das historische Treffen des amerikanischen Präsidenten Kennedy mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow am 3. und 4. Juni 1961 waren markante Signale dieser Entwicklung.

Im Jahr 1975 wurde der Platz vor dem Floridsdorfer Bahnhof zum Andenken an den ersten Arbeiter, der zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt wurde, Franz-Jonas-Platz benannt (Gedenktafel auf Nr. 8).

1990 wurde die Schule in der Deublergasse 21 aus Anlass ihres hundertjährigen Bestehens in Franz-Jonas-Europa-Hauptschule umbenannt.

Werk: Die Zeit der großen Visionen ist niemals vorbei. Reden von Bundespräsident Franz Jonas, 1974.
Literatur: Winfried Bruckner, Franz Jonas. Aufgabe: Österreich, 1974; Liselotte Hansen-Schmidt, Franz Jonas. Ein Mann mit besonderen Eigenschaften, 1999; Franz Kreuzer, Franz Jonas. Sein Weg und Wirken, 1969.