1925 schrieb die Gemeinde Wien für die Errichtung einer "Gartenstadt" in Jedlesee einen engeren Wettbewerb zwischen Karl Krist, Robert Oerley und Hubert Gessner aus.
Die "Neue Wirtschaft" berichtete: "Die Gemeinde Wien ist jetzt am Werke, ein Wohnbauprojekt auszuführen, das in solcher Großzügigkeit noch in keiner Stadt der Welt in Angriff genommen wurde. Es wird in Floridsdorf ein Komplex von Wohnbauten geschaffen, in welchem 1.800 Wohnungen nebst zahlreichen Geschäftsläden, Bädern, Kinderhorten usw. Raum finden […]. Es ist eine Stadt in der Stadt, die da gebaut wird, ausgestaltet mit allen Errungenschaften der neuzeitlichen Technik."
Karl Krist schlug eine geschlossene Baumasse vor, während Oerleys Modell einen Block mit 32 bienenwabenartig aneinandergereihten Höfen und mehr als 2.500 Wohnungen beinhaltete. Letztendlich erhielt Hubert Gessner den Auftrag.
Die in den Jahren 1926 bis 1932 errichtete Wohnhausanlage verfügte ursprünglich über 1.173 Wohnungen. In einem Zeitungsinterview erläuterte Gessner: „Ich denke mir die Gartenstadt nicht so, daß jedes Haus seinen eigenen Garten haben soll, sondern so, daß die Häuser selbst in einem Park stehen." Damit stellte er sich in entschiedenen Widerspruch zu Josef Frank und seinem Kreis.
"Es ist manchmal ein Gräuel, wenn man sehen muß, wie jeder einzelne Besitzer sein Objekt und seine Anlage individuell verschandelt […] Infolge dessen muß man es jenen Menschen, die in einer Gartenstadt wohnen wollen, direkt unmöglich machen, ihre Umgebung zu verschandeln", so Gessner.
Die Gartenstadt Jedlesee, mit der auch die 25.000ste Wohnung des ersten Wohnbauprogrammes entstanden ist, wurde 1932 vollendet und 1950 nach dem früheren Bürgermeister und ersten Präsidenten der Republik, Karl Seitz benannt, dem hier am 29. Juli 1945 nach seiner Rückkehr aus dem KZ von den Floridsdorfer Sozialdemokraten ein triumphaler Empfang bereitet wurde.
Franz Jonas teilte in seiner Begrüßungsrede mit, dass die "Gartenstadt Jedlesee" künftig den Namen Karl-Seitz-Hof tragen werde. Der formelle Beschluss dazu konnte allerdings erst nach Karl Seitz' Tod gefasst werden, da die Stadt grundsätzlich keine Benennungen nach lebenden Personen durchführt. Die offizielle Namensgebung erfolgte deshalb erst am 16. Juni 1951; an diesem Tag wurde auch die von Gustinus Ambrosi geschaffene Seitz-Büste im Ehrenhof aufgestellt.
Der Volkswohnungspalast im typischen Gessner'schen Monumen talstil gehört zu den architektonisch bedeutendsten Leistungen des "Roten Wien" und kann – ebenso wie der Karl-Marx-Hof – als ein Denkmal der Wiener Arbeiterklasse angesehen werden.
Am linken, nördlichen Rand ragt der neungeschossige Uhrturm empor, dessen Zugang von zwei riesigen Amphoren flankiert wird.
Betritt man den nördlichen Hof hinter dem Halbrund durch eines der beiden mächtigen und mit schönen Gittern versehenen Rundbogen tore, so fallen sofort die mit – z.T. glasierten – keramischen Fliesen verzierten Stiegenaufgänge, die deutliche Anleihen an die Renaissance zeigen, und die verglasten Stiegenhäuser ins Auge.
Den beeindruckenden Abschluss bilden die ebenfalls mit Fliesen verkleideten und von Vasen bekrönten Säulen bei Stiege 1, die untereinander durch ein feines Geflecht von Holzspalieren verbunden werden.
Durch das mittlere Portal, das auf der Seite des Ehrenhofs aus einem großen Bogen und zwei kleineren Durchgängen für Fußgeher und auf der anderen Seite aus drei großen Bögen besteht, gelangt man in die Edisonstraße, die die Anlage axial durchschneidet.
Im Februar 1934 war die Gartenstadt besonders hart umkämpft. In den Morgenstunden des 14. Februar begann eine Feldhaubitzenbatterie des Bundesheeres von der Floridsdorfer Brücke her mit dem Beschuss der Wohnanlage.
Der zentrale Karl-Seitz-Platz wurde in den Jahren 2005/06 mit einer Tiefgarage unterbaut. Nach Beendigung der Baumaßnahmen wurde die neue Oberfläche – angelehnt an die historische Gestaltung von Architekt Hubert Gessner – gärtnerisch neu gestaltet und im Herbst 2006 durch Umweltstadträtin Ulli Sima und Bezirksvorsteher Franz Lehner mit einem Parkfest wiedereröffnet.
2011/12 zeigte der Waschsalon Karl-Marx-Hof eine Sonderausstellung über den "Architekten der Arbeiterbewegung", Hubert Gessner.
Literatur: Hans und Rudolf Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980; Helmut Weihsmann, Das Rote Wien. Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 1919–1934, 1985/2002; Walter Zednicek, Architektur des Roten Wien, 2009; Markus Kristan, Hubert Gessner. Architekt zwischen Kaiserreich und Sozialdemokratie 1871-1943, 2011.