Hochverratsprozess 1870

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Am 13. Dezember 1869 organisierten Funktionäre des Gumpendorfer Arbeiterbildungsvereins eine Demonstration für politische und gewerkschaftliche Rechte vor dem Reichsratsgebäude, an der rund 20.000 Arbeiter teilnahmen. Eine Abordnung übergab dem Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe eine Resolution. 10 Tage später wurden die meisten Mitglieder der Deputation verhaftet, im März 1870 folgten weitere Festnahmen.

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Im darauf folgenden Wiener Hochverratsprozess wurden 14 Funktionäre des Arbeiterbildungsvereins wegen ihrer "staatsgefährdenden" Gesinnung angeklagt. Zwar konnte die Anklage keinerlei Beweise für das Verbrechen des Hochverrats vorlegen, dennoch wurden die Angeklagten – unter ihnen auch Heinrich Oberwinder und Andreas Scheu – am 19. Juli 1870 zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Regierung nahm den Prozess zum Anlass, hart gegen die noch junge Arbeiterbewegung vorzugehen.

Allerdings löste die behördliche Schließung fast sämtlicher Arbeiter- und Gewerkschaftsvereine stürmische Proteste der Wiener Arbeiterschaft und mehrtägige Krawalle aus. Der Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein konnte auf der Grundlage des neuen Koalitionsgesetzes bereits im Oktober 1870 neu gegründet werden. Bald darauf gingen infolge einer politischen Amnestie auch die verurteilten Arbeiterführer frei.

Literatur: Heinrich Scheu (Hrsg.), Der Hochverraths-Proceß gegen Oberwinder, Andr. Scheu, Most, Papst, Hecker, Perrin, Schönfelder, Berka, Schäftner, Pfeiffer, Dorsch, Eichinger, Gehrke und Baudisch, verhandelt vor dem k. k. Landesgerichte in Wien, begonnen am 4. Juli 1870.