Rudolf Hilferding war der Sohn eines jüdischen Kaufmanns. In den Jahren 1896 bis 1901 studierte er Medizin und wurde Mitglied der sozialdemokratischen Studentenorganisation "Freie Wissenschaftliche Vereinigung". Nach seiner Promotion im Jahr 1901 arbeitete er als Kinderarzt in Wien und schloss sich der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an. 1904 heiratete er Margarete Hönigsberg, die als erste ordentliche Hörerin der Medizin an der Wiener Universität das Doktorat erworben hatte. Ab 1904 war Hilferding auch gemeinsam mit Max Adler Herausgeber der Reihe "Marx-Studien", in der die wichtigsten Veröffentlichungen des Austromarxismus gesammelt sind.
Hilferding, der seit 1902 auch für die deutsche sozialdemokratische Zeitung "Neue Zeit" schrieb, gab 1906 seinen Beruf als Arzt auf, um an der Parteischule der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) in Berlin als Lehrer für Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie zu unterrichten. Nach einer Ausweisungsandrohung der preußischen Polizei brach er allerdings bereits im darauffolgenden Jahr seine Lehrtätigkeit ab und wurde Redakteur des SPD-Organs "Vorwärts". 1910 veröffentlichte Hilferding seine Studie "Das Finanzkapital", in der er den Imperialismus aus marxistischer Sicht als Spätphase des Kapitalismus deutete.
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs gehörte Hilferding zu den Unterzeichnern des Protestaufrufes der "Vorwärts"-Redakteure gegen die Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD-Reichstagsfraktion. 1915 wurde er von der österreichisch-ungarischen Armee als Feldarzt eingezogen und leitete bis 1918 ein Seuchenlazarett an der italienischen Front.
Hilferding, der bereits 1917 zur "Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" (USPD) übergetreten war und 1919 die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatte, arbeitete in den Jahren 1918 bis 1923 als Chefredakteur des Zentralorgans der USPD, "Freiheit". Er lehnte ein Zusammengehen der USPD mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) scharf ab und unterstützte den Zusammenschluss seiner Partei mit der SPD.
Im August 1923 wurde Rudolf Hilferding Reichsfinanzminister im Kabinett von Gustav Stresemann. In seiner Amtszeit wurde die Einführung der Rentenmark beschlossen. Vor Inkrafttreten der Währungsreform im Oktober desselben Jahres trat Hilferding jedoch von seinem Amt zurück. Von 1924 bis 1933 fungierte Hilferding als Herausgeber der theoretischen Zeitschrift "Die Gesellschaft". 1924 wurde er auch in den Reichstag gewählt und in weiterer Folge in den Parteivorstand der SPD berufen. Als Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses des Reichstags trat er für eine Politik der Westorientierung Deutschlands ein. Gemeinsam mit Karl Kautsky entwarf Hilferding 1925 das Heidelberger Programm der SPD. 1928 wurde er in der Großen Koalition unter Reichskanzler Hermann Müller (SPD) erneut Reichsfinanzminister, trat jedoch bereits im Dezember 1929 aus Protest gegen die Eingriffe des Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht in die Finanzpolitik des Reiches von seinem Ministeramt zurück.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte Hilferding im März 1933 nach Zürich und wurde wenig später Redakteur der im böhmischen Karlsbad erscheinenden "Zeitschrift für Sozialismus". Bereits in der ersten Nummer schrieb er im Oktober 1933 die prophetischen Worte: Die ganze Ideologie der Nationalsozialisten schafft akuteste Friedensbedrohung. Sie ist um so größer, als kein Zweifel daran gestattet ist, daß große Teile des deutschen Volkes begeistert dem "heroischen Ideal" des neuen Krieges anhängen. Es ist nur die Ungleichheit der Chancen, die Überlegenheit der Gegner, die den Frieden vor dem heutigen Deutschland sichert.
Als Mitglied des Vorstandes der sozialdemokratischen Exilorganisation "Sopade" gehörte Hilferding 1934 zu den federführenden Autoren des "Prager Manifests". Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei verlegte die "Sopade" ihren Sitz nach Paris. Hilferding arbeitete dort unter dem Pseudonym Richard Kern für den "Neuen Vorwärts".
Nach dem deutschen Angriff auf Frankreich floh Hilferding im August 1940 nach Marseille, wo er jedoch im Februar 1941 auf Befehl der Vichy-Regierung inhaftiert und an die Gestapo ausgeliefert wurde. Rudolf Hilferding starb unter ungeklärten Umständen in einem Pariser Gefängnis.
Im Jahr 2003 wurde in Floridsdorf der Hilferdingweg nach der Familie Hilferding – Margarete Hilferding, Rudolf Hilferding und ihrem gemeinsamen Sohn Karl Hilferding (1905–1942), der im Lager Groß-Strelitz ermordet wurde – benannt.
Werk: Organisierter Kapitalismus, Referat und Diskussion, 1973; Zwischen den Stühlen oder über die Unvereinbarkeit von Theorie und Praxis, 1982; Das Finanzkapital, eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus, 2000.
Literatur: Wilfried Gottschalch, Strukturveränderungen der Gesellschaft und politisches Handeln in der Lehre von Rudolf Hilferding, 1962; Masaaki Kurotaki, Zur Todesursache Rudolf Hilferdings, 1984; Kyung-Mi Kim, Hilferding und Marx, Geld- und Kredittheorie in Rudolf Hilferdings "Das Finanzkapital" und im Marxschen "Kapital", 1999; Anke Müller, Die "Zukunft" des Imperialismus. Prognosesicherheit in den Imperialismustheorien von Rosa Luxemburg, Lenin, Rudolf Hilferding und Nikolai Bucharin, 2003; Bertram Schefold, Rudolf Hilferding und die Idee des organisierten Kapitalismus, 2000; William Smaldone, Rudolf Hilferding. Tragödie eines deutschen Sozialdemokraten, 2000.