Kinderfreunde, Österreichische

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Im Jahr 1908 gründete Anton Afritsch in Graz den "Arbeiterverein Kinderfreunde" als Fürsorgeverein für notleidende Kinder. An der Gründungsversammlung am 26. Februar nahmen insgesamt 72 Gleichgesinnte teil. Ziemlich genau zwei Jahre später, am 14. Februar 1910, entstand bereits die erste Ortsgruppe der Kinderfreunde in Wien-Floridsdorf.

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1911 erfolgte die Gründung des niederösterreichischen Landesvereins durch Alois Appel und 1912 die der Vereinszeitschrift "Der Kinderfreund". 1913 wurde gemeinsam mit dem "Verein zur Bekämpfung der Tuberkulose in der Steiermark" die erste Kinderferienkolonie in Gratkorn veranstaltet. Im selben Jahr entstanden weitere Ortsgruppen in Niederösterreich, in Kärnten und in Salzburg, aber auch in Böhmen, Mähren und Ungarn. 1914, bei Kriegsbeginn, umfasste der Verein bereits 4.350 Mitglieder in 18 Ortsgruppen.

1915 wurde die erste Erholungsstätte der Kinderfreunde auf dem Schafberg in Wien eingerichtet. 1917 kam es zum Zusammenschluss der bis dahin eigenständigen Organisationen "Alpenländischer Arbeiterverein Kinderfreunde" und "Arbeiterverein Kinderfreunde für Niederösterreich" zum "Reichsverein Kinderfreunde".

Bei Kriegsende umfasste der Verein 9.735 Mitglieder in mehr als 30 Ortsgruppen. Obmann wurde der Wiener Stadtrat Max Winter, Anton Afritsch sein Stellvertreter.

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Die "große Zeit" der sozialdemokratischen Kinderfreunde kam nach dem Ersten Weltkrieg und hatte zunächst mit den verheerenden Auswirkungen des Krieges auf das Leben der Kinder, mit ihrer Unterernährung und katastrophalen gesundheitlichen Situation zu tun.
 
1927 beschrieb Max Winter die Lage rückblickend: "Als das Weizen- und Kornbrot im ersten Winter aufgegessen war, hatten sie uns wissenschaftlich bewiesen, dass man auch von Maisbrot leben könnte […]. Als das Fett knapp wurde, da sagten die Gelehrten zuerst: 'Brauchen wir Fett, solange wir Zucker haben?', und als der Zucker knapp wurde, sagte man uns, der wichtigste Stoff, der im Zucker ist, sei auch in der Kartoffel […]. Aber unsere Kinder kamen immer mehr und mehr herunter."
 
Am 12. November 1919 wurde die von Otto Felix Kanitz geleitete Erzieherschule in Schönbrunn gegründet.
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Ein Jahr später, im Dezember 1920, wurde der "Kinderheller" eingeführt, eine wöchentliche Abgabe von allen gewerkschaftlich organisierten Arbeitern an die Kinderfreunde; die Idee dazu stammte von einer 1915 durchgeführten Solidaritätsaktion in der Hirtenberger Munitionsfabrik, wo die Arbeiter einen Heller pro Lohnkrone an den Kinderfreunde-Hilfsfonds eingezahlt hatten. Diese zusätzlichen Einnahmen erlaubten den Kinderfreunden eine Intensivierung ihrer Arbeit, und so verwundert es auch nicht, dass die Organisation zu Beginn der 1920er-Jahre bereits mehr als 55.000 Mitglieder in 182 Ortsgruppen zählte.

Die Kinderfreunde linderten nicht "nur" das akute Elend der Kinder, sie traten immer auch für eine demokratische und sozial gerechte Schule und eine freie Erziehung ein. 1921 erschien die erste Nummer der programmatischen Zeitschrift "Sozialistische Erziehung" (SE), deren Chefredakteur bis 1934 Otto Felix Kanitz war. 

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1923 wurden die Kinderfreunde und der sozialistische Schulverein Freie Schule zu der gemeinsamen Organisation "Freie Schule-Kinderfreunde" vereinigt. Wesentlich waren in diesem Zusammenhang auch qualitativ hochwertige Bücher und Unterrichtsmaterialien. Seit 1923 führten die Kinderfreunde deshalb die frühere Reichsbücherstelle als Verlag Jungbrunnen weiter.

1925, als die ideologischen Auseinandersetzungen in Österreich an Schärfe gewannen, gründete Anton Tesarek die Roten Falken als sozialdemokratische Jugendorganisation für 10- bis 14jährige innerhalb der Kinderfreunde. Die Roten Falken entwickelten sich rasch, zählten 1929 8.300 und 1932 über 15.000 Kinder. In diesem Jahr erreichten auch die Kinderfreunde mit 100.000 Mitgliedern ihren Höchststand.

Im Februar 1934 wurden die Kinderfreunde aufgelöst und ihr gesamtes Vermögen mitsamt allen Einrichtungen beschlagnahmt – 475 Kinderheime und Horte, an denen 380 PädagogInnen mehr als 122.000 Kinder und Jugendliche betreuten. Viele Aktivisten setzten trotz des Verbots und selbst unter den besonders erschwerten Bedingungen während der NS-Zeit die illegale Arbeit fort.

Am 19. Juni 1945 wurde auf einer Sitzung des Parteivorstandes der neuen Sozialistischen Partei die Neugründung der Kinderfreunde beschlossen, die schließlich am 14. Oktober desselben Jahres unter Mitwirkung von Theodor KörnerPaul Speiser und Josef Holaubek, dem späteren Obmann der Wiener Kinderfreunde, erfolgte. Und am 14. Dezember beschloss der erste SPÖ-Parteitag, dass der Verein "Freie Schule – Kinderfreunde" künftig die Erziehungsarbeit für die Partei leisten solle.

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Der Wiederaufbau ging rasant vor sich. Zur Jahreswende 1945/46 verzeichneten die Kinderfreunde bereits 36.019 Mitglieder in 286 Ortsgruppen. Gab es damals erst 18 Tagesheime, so waren es am Ende des Jahres 1946 bereits 76 Heime, und ein Jahr später betreuten 142 PädagogInnen insgesamt 6.594 Kinder in 86 Heimen.

Ab 1946 organisierten die Kinderfreunde auch die sogenannte "Schwedenausspeisung" und fuhren mit den Kindern in die "Sonnenländer" oder in Ferienlager – für viele Kinder die einzige Möglichkeit, ausreichend zu essen zu bekommen, Bewegung an frischer Luft machen und mit Gleichaltrigen spielen zu können.

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1958 konnten die Kinderfreunde das 50jährige Gründungsjubiläum und die Eröffnung des ersten Kinderdorfes (Anton-Afritsch-Kinderdorf) bei Graz feiern. 1960 wurde das sogenannte Eisenstädter Programm als sozialistisches Erziehungsprogramm beschlossen. Der zunehmende Wohlstand breiter Bevölkerungskreise erforderte bald auch eine Neu- und Weiterorientierung der pädagogischen Arbeit der Kinderfreunde.

1961 begann der Verlag Jungbrunnen pädagogisches Holzspielzeug und Kinderspielmöbel als Alternative zur Massenware anzubieten, und 1963 erfolgte die Eröffnung der "Wiener Spielzeugschachtel" in der Rauhensteingasse im 1. Bezirk, die 1980 um den "Kinderbuchladen" erweitert wurde.

Die Kinderfreunde gehen auch heute mit der Zeit. Aktionen gegen Krieg und Gewalt, gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, aber auch das konsequente Eintreten für den Ausbau der Kinderrechte und die Aufklärung im Kampf gegen Alkohol und Drogen nehmen deshalb einen immer wichtigeren Platz ein.

TF_Kinderfreunde_LiedCover_BO16_2Viele Politiker und Pädagogen entstammen den Österreichischen Kinderfreunden, die heute rund 180.000 Mitgliedsfamilien zählen und damit die größte Familienserviceorganisation Österreichs sind.

In Wien sind die Kinderfreunde mit 10.000 betreuten Kindern zwischen 1 und 14 Jahren auch der größte gemeinnützige Anbieter von Kinderbetreuungseinrichtungen und mit 23 Betriebskindergärten auch ein wichtiger Partner der Wirtschaft.

Die Kinderfreunde sind in vielen Bereichen engagiert, führen Beratungs- und Hilfestellen zur Bewältigung familiärer Probleme und Krisen, sind am "wiener ferienspiel" beteiligt und organisieren Kinderurlaube für behinderte und nichtbehinderte Kinder.

Im freizeitpädagogischen Bereich haben die Kinderfreunde zahlreiche Angebote für Kinder und Eltern, wie Lern- und Freizeitgruppen, das "Computer Clubhouse Vienna" im 3. Bezirk, Elternbildungsangebote oder Babyclubs für "neugeborene Eltern".

Und mit dem Förderfonds "Spielräume schaffen" unterstützen die Kinderfreunde alle WienerInnen, die in privater Initiative öffentlich zugänglichen Spielraum schaffen möchten, mit Rat und finanziellen Mitteln.

TF_Kinderfreunde_Indoorspielplatz_AlbertSeverSaal_PIDDer Sitz der Wiener Kinderfreunde befindet sich in der Albertgasse 23 im 8. Bezirk. Das ehemalige Schulgebäude war vom 1905 gegründeten Verein Freie Schule errichtet worden.

Kinderfreunde Wien
8., Albertgasse 23
Tel.: 401 25
E-Mail: kind-und-co@wien.kinderfreunde.at