Die Freidenker entstanden als eine weltanschauliche Bewegung atheistischer bzw. areligiöser Ausrichtung und organisierten sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Vereinen, die u.a. für die Trennung von Kirche und Staat, für die Abschaffung des Religionsunterrichts an den Schulen und für die Zulassung der Feuerbestattung eintraten. Im Jahr 1887 wurde in Wien der Verein der Konfessionslosen gegründet, der 1893 in "Verein der Freidenker Nieder-Österreichs" umbenannt wurde. 1895 erschien erstmals das vom damaligen Obmann Ludwig Wutschel gegründete Vereinsorgan "Mittheilungen des Vereines der Freidenker Nieder-Oesterreichs", das 1903 schließlich den Namen "Der Freidenker" erhielt.
1905 erfolgte die Gründung des Vereins Freie Schule, der die völlige Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses auf das öffentliche Schulwesen propagierte.
Noch im selben Jahr wurde auch der "Eherechtsreformverein" gegründet, der eine radikale Reform des Eherechts forderte und enge personelle Verbindungen zum Verein der Freidenker unterhielt.
Andere Organisationen, mit denen der Verein zusammenarbeitete, waren die "Ethische Gesellschaft", die sich die humanistische Gestaltung der Gesellschaft und eine Erziehung ohne Religion zum Ziel gesetzt hatte, und der Verein Die Flamme, der für die von der Kirche verbotene Feuerbestattung eintrat.
Am XIV. Weltkongress des "Internationalen Freidenkerbundes" 1907 in Prag nahmen etwa 400 Mitglieder des Wiener Eherechtsreformvereins teil. In der Abschlussresolution der Tagung heißt es u.a.: Die mit dem Staat verbündete Kirche und die von Staat eingerichteten konfessionellen Schulen sind Bestrebungen, den Menschengeist in Knechtschaft und Rückständigkeit zu erhalten, um so der Kirche gedankenlose Nachbeter und dem Staate willenlose und ganz abhängige Kreaturen zu erziehen.
Nach der Gründung der Ersten Republik, von der sich die Freidenker eine strikte Trennung von Staat und Kirche erhofften, schlossen sich verschiedene freisinnige Organisationen, darunter auch der Verein der Freidenker, im "Freien Bund kultureller Vereine Wiens" zusammen. 1921 erfolgte die Umbenennung des Vereins der Freidenker in "Freidenkerbund Österreichs".
Die 1920er Jahre standen ganz im Zeichen der Ausgestaltung einer freidenkerisch-sozialistischen Festkultur und der beständigen Werbung für den Austritt aus der Kirche, die besonders nach der Julirevolte von 1927 intensiviert wurde. Der Verein umfasste zu dieser Zeit rund 45.000 Mitglieder in zirka 300 Ortsgruppen, die an ihrem Abzeichen – einem Stiefmütterchen – erkennbar waren.
Einer der bedeutendsten Vorkämpfer des Freidenkertums in Österreich war der Nationalratsabgeordnete Karl Leuthner, der unablässig gegen die politisierende Kirche zu Felde zog.
In seiner Broschüre "Religion und Sozialdemokratie" schrieb er: Alle Kirchen widerhallen von Schmähworten gegen die Sozialdemokratie, von Hassreden gegen die Arbeiterschaft. Im Beichtstuhl wird vor allem an den Frauen Seelenfang betrieben. Und der Katechet in der Schule scheut davor nicht zurück, den Religionsunterricht in politische Propaganda zu verwandeln, durch die Kinder die Eltern politisch zu beeinflussen, ja die Kinder der Arbeiter zu Ungehorsam gegen ihre eigenen Eltern aufzuhetzen.
1922 gelang der Freidenkerbewegung mit der Eröffnung des Wiener Krematoriums ein wesentlicher Durchbruch gegen den massiven Widerstand der Kirche und der Konservativen.
1925 wurde im böhmischen Teplitz-Schönau die "Internationale Proletarischer Freidenker" mit Mitgliedsorganisationen in Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen, Russland und der Tschechoslowakei gegründet; 1930 spaltete sie sich allerdings in einen sozialdemokratischen und einen kommunistischen Verband (IpF), der seinen Sitz in Wien hatte.
Der Freidenkerbund unter seinem Bundesobmann Franz Ronzal, der 1932 rund 65.000 Mitglieder zählte und seinen Sitz am Margaretengürtel 94 im 5. Bezirk hatte, wurde im Juni 1933 als erste sozialdemokratische Kulturorganisation per Notverordnung verboten; um die Interessen der Konfessionslosen und Nichtkatholiken Österreichs zu wahren, wurde in der Folge die "Freireligiöse Gemeinde" unter der Obmannschaft von Carl Kundermann gegründet. 1935 wurde auch sie aufgelöst.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es am 21. Januar 1948 zur Neugründung des "Freidenkerbundes Österreichs" unter Franz Ronzal.
Eine Wiedergründung im Sinne der Rechtskontinuität mit dem 1933 verbotenen Freidenkerbund wurde von Innenminister Oskar Helmer jedoch verhindert, weshalb dem neugegründeten Verein das beschlagnahmte Vereinsvermögen nicht zurückerstattet wurde. Von Seiten der neuen SPÖ, die auf ein gutes Verhältnis zur Österreichischen Volkspartei bedacht war, erhielt der Verein keine Unterstützung mehr.
Auf einem außerordentlichen Parteitag der SPÖ im Mai 1958 wurde ein neues Parteiprogramm beschlossen, in dem es im Abschnitt "Sozialismus und Religion" u.a. heißt: Gleichviel, ob Sozialisten ihre Überzeugung aus den Ergebnissen marxistischer oder anders begründeter sozialer Analysen oder aus religiösen oder humanitären Grundsätzen ableiten, alle erstreben ein gemeinsames Ziel: eine Gesellschaftsordnung der sozialen Gerechtigkeit, der höheren Wohlfahrt, der Freiheit und des Weltfriedens. [...] Sozialismus und Religion sind keine Gegensätze. Jeder religiöse Mensch kann gleichzeitig Sozialist sein.
In den folgenden Jahren verlor der Verein immer mehr an Bedeutung und versank in personellen Streitigkeiten und Querelen.
Am 12. Dezember 1970 beschloss eine außerordentliche Bundeshauptversammlung die Auflösung des "Freidenkerbundes Österreichs" und seine Überführung in das "Institut für Geistesfreiheit und wissenschaftliche Weltanschauung" unter der Leitung von Albrecht K. Konecny. De facto gelang es Konecny allerdings erst Jahre später, die zerstrittenen Gruppen wieder zusammenzuführen.
1978 wurde der "Freidenkerbund Österreichs" mit dem Beinamen "Institut für wissenschaftliche Weltanschauung" unter der Leitung von Richard Klucsarits wiedergegründet. 1984 wurde auch das Bundesorgans "Der Freidenker – Geist und Gesellschaft", dessen Redaktion Anton Szanya übernahm, einer Neugestaltung unterzogen. Seit April 1997 befindet sich der Sitz des Vereins am Margaretengürtel 22.
Publikationen : Der Freidenker. Organ der Freidenker Österreichs, 1904–1970 (mit Unterbrechungen); Der Freidenker – Geist und Gesellschaft, 1984 –laufend.
Literatur : Karl Becker, Freigeistige Bibliographie. Ein Verzeichnis freigeistiger, humanistischer und religionskritischer Literatur, 1973; Angelo Carraro, Erlösung ohne Gott und Kirche, 1921; Zyrill Fischer, Die proletarischen Freidenker, 1930; Walter Lindemann, Die proletarische Freidenker-Bewegung, 1981; Franz Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österreich im 20. Jahrhundert, 1994.