Am 10. Oktober 1864 gründeten 17 Fünfhausner Wollwebergesellen – die Angehörigen dieses Berufsstandes gehörten zu den Ärmsten der Armen und verdienten oft weniger als Taglöhner – im Gasthaus "Zum Grünen Baum" in der damaligen Schwanengasse (heute 15., Clementinengasse 17) den "Ersten Niederösterreichischen Arbeiter-Consumverein". Die Genossenschafter verpflichteten sich, wöchentlich 10 Kreuzer zum gemeinsamen Einkauf beizutragen. Bis Ende des ersten Monats konnten weitere acht Teilnehmer für die Idee gewonnen werden. Das genügte, um den ersten Sack Mehl gemeinsam einzukaufen. Die ersten Mehlverteilungen fanden übrigens in der Wohnung des Mitbegründers Johann Schorsch statt.
Im Frühjahr 1865 zählte der Konsumverein bereits mehr als 100 Mitglieder. Der Gastwirt "Zum Weißen Adler" in der Sechshauser Straße stellte dem Verein einen leeren Schuppen unentgeltlich zur Verfügung, und im Juli 1865 konnte die Selchküche des Wirtshauses als Verteilerlokal angemietet werden.
Nun gab es außer Mehl auch Brot, Reis, Schmalz, Kerzen, Seife und Zwetschgen zu kaufen. Diese erste Konsumfiliale, in der nur ehrenamtliche Mitarbeiter tätig waren, war jeden Samstag und Montag nach Arbeitsschluss sowie Sonntag vormittags geöffnet.
Am 9. Oktober 1865 wurde durch die formelle Genehmigung der Statuten aus dem losen Zusammenschluss ein ordentlicher Verein. Jedes Mitglied zahlte für einen Fonds 5 Gulden in Wochenraten von 10 Kreuzern ein. Der Verein konnte im Bedarfsfall Nachzahlungen von weiteren 10 Kreuzern pro Woche verlangen, jedoch nur bis zum Höchstbeitrag von 10 Gulden pro Mitglied. Damit sollte verhindert werden, dass ein Mitglied ein wirtschaftliches Übergewicht erhielt und ein finanzkräftiger Geschäftsmann den ganzen Konsumverein dominierte.
Im selben Jahr entstand auf Initiative einer Gruppe von Seidenwebern der neue "Arbeiter-Spar- und Konsumverein Fünfhaus". Beide Vereine hatten ihre Mitglieder v.a. unter der Arbeiterschaft in Meidling, Fünfhaus und Rudolfsheim.
1866 errichtete der Erste Niederösterreichische Arbeiter-Consumverein seine erste Verkaufsstelle in der Josefsgasse, 1869 eine zweite in der Rauchfangkehrergasse.
1870 wurde das Gebäude in der Herklotzgasse 31 im 15. Bezirk erworben und als Zentrale ausgebaut. Das Haus kostete 23.400 Gulden, der Verein besaß gerade 600 Gulden. Man verfasste deshalb ein Gesuch an den Kaiser:
Eure Majestät! Von den Gefühlen der tiefsten Ehrfurcht und voll Zuversicht in die angestammte kaiserliche Huld und Großherzigkeit, welche sich ohne Unterlass wie ein erquickendes Manna über Tausende ergießt, wagt in tiefster Demut das untertänigst gefertigte Baukomitee des ersten niederösterreichischen Arbeiter-Konsumvereines sich in den weiten Kreis der Bittenden zu stellen und Euer Majestät das alleruntertänigste Ansuchen zu Füßen zu legen, dem Verein eine gnädige Unterstützung als Aushilfe zu gewähren [...] Der humane gemeinnützige Zweck dieses Unternehmens, welches für Staat und Volk nutzbringend ist, ermutigt das ehrfurchtsvoll gefertigte Baukomitee des ersten niederösterreichischen Arbeiter-Konsumvereines, der süßen Zuversicht Raum geben zu dürfen, dass die Bewerbung um eine allergnädigste Unterstützung [...] nicht fruchtlos sein werde und erweckt die schönste Hoffnung, dass Euer Majestät huldreich geruhen werde, diese alleruntertänigst begründete Bitte zu berücksichtigen und sich auch da wieder als den Beglücker des Volkes, als den Gütigen zu erweisen.
Der Kaiser bewilligte 500 Gulden, eine Spendenaktion erbrachte weitere 935 Gulden, und die Mitglieder des Vereins bezahlten Spar- und Hauseinlagen. So kamen schließlich 7.400 Gulden als Anzahlung zusammen. Der Rest wurde mit einer Hypothek und einem Bankkredit aufgebracht.
1878 trat der Erste Niederösterreichische Arbeiter-Konsumverein dem 1874 gegründeten "Allgemeinen Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Österreich" bei, 1881 wurde ein Unterverband der Konsumvereine für Niederösterreich gegründet. Nachdem im Dezember 1896 in der Arbeiter-Zeitung ein Aufruf erschienen war, der zum Zusammenschluss der Arbeiter-Konsumvereine aufforderte, vereinigen sich 1898 die Arbeiter-Kosumvereine im "Verband der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften".
Am 6. Januar 1898 (andere Quellen lauten 1897) beschloss die Generalversammlung des Ersten Niederösterreichischen Arbeiter-Konsumvereins die Errichtung einer eigenen Bäckerei. Zu diesem Zweck wurde in der Wolfganggasse 58-60 im heutigen 12. Bezirk (damals 5. Bezirk) ein Bauplatz von 1.400 Quadratmetern um 26.000 Gulden erworben und ein Teil des angrenzenden Baugrundes für künftige Erweiterungen gesichert.
Die Anlage in der Wolfganggasse (mit Bäckerei, Kaffeerösterei und Kellerei, später auch noch Molkerei, Fleischerei etc.) entwickelte sich rasch zum modernen Produktions- und Vertriebszentrum des Konsumvereins. Weiße Kacheln ermöglichten eine gute Reinigung, es gab eine Dampfheizung und elektrisches Licht, Brausebäder für die Bäcker, eine Kantine für die Arbeiter, einen Fahrstuhl zur Beförderung der Mehlsäcke und moderne Maschinen zum Sieben, Mischen und Kneten.
Im Herbst 1909 eröffnete der Erste Niederösterreichische Arbeiter-Konsumverein einen großen Zubau zu seiner Zentrale, der eine Steigerung der Eigenproduktion (u.a. auch von Brot) erlaubte. In der Folge kam es deshalb zu einem z.T. aggressiv geführten Konkurrenzkampf mit den neuen Hammerbrotwerken und dem Konsumverein "Vorwärts".
Nach dem Ersten Weltkrieg, von dem die meisten Konsumgenossenschaften wirtschaftlich profitierten, kam es zu einer kompletten Reorganisation auf dem deutlich geschrumpften Sektor der österreichischen Konsumgenossenschaften:
Am 1.11.1920 änderte der Erste Niederösterreichische Arbeiter-Konsumverein seinen Namen in Konsumgenossenschaft Wien und Umgebung (KGW); gleichzeitig gingen auch die Konsumvereine Fünfhaus, Donaustadt und "Vorwärts" in der neuen Gesellschaft, die über 150.000 Mitglieder und 142 Filialen zählte, auf. Im Laufe der nächsten Jahre wurden noch weitere kleinere Genossenschaften (Siemens, städtische Bedienstete "Gesum", Eisenbahnbedienstete) übernommen. Die Fusion mit dem bürgerlichen "Ersten Wiener Consum-Verein" erfolgte erst 1938.
Die KGW, die mit der 1905 gegründeten Großeinkaufsgesellschaft für österreichische Consumvereine (GÖC) eng verbunden war, wurde im "Roten Wien" durch die Errichtung zahlreicher Filialen in den neuen kommunalen Wohnanlagen stark gefördert.
1934 wurde die Selbständigkeit der Konsumverwaltung aufgehoben. Nach 1945 erfolgte ein Neuaufbau von vorwiegend Orts- und Regionsgenossenschaften. Wegen der Zerstörung der Verwaltungszentrale in der Praterstraße im Jahr 1945 amtierten Konsumverband und GÖC vorerst in der Theobaldgasse 19 im 6. Bezirk, während die Zentrale der Konsumgenossenschaft Wien in die Wolfganggasse übersiedelte.
Im Jahr 1950 wurden die Wienerinnen und Wiener zum ersten Mal mit einem neuen Ladentyp konfrontiert, der die weitere Entwicklung des Konsumierens massiv beeinflussen sollte: Die Konsumgenossenschaft eröffnete in diesem Jahr den ersten Selbstbedienungsladen der Stadt.
1978 entstand durch die Fusion von 16 Genossenschaften mit insgesamt 717.000 Mitgliedern schließlich der Konsum Österreich, der mit 800 Märkten (Coop Diskontmärkte, Der frische Konsum, KGM-Verbrauchermärkte, diverse Kaufhäuser) den Großteil der konsumgenossenschaftlichen Einzelhandelsumsätze erzielte und noch 1993 mit 17.208 Mitarbeitern an 1.055 Standorten mit fast 700.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und mehr als 700.000 Genossenschaftern einen Jahresumsatz von 31,5 Milliarden Schilling erwirtschaftete.
Dieser Zusammenschluss war allerdings auch ein Verzweiflungsakt, weil einige der Genossenschaften bereits hochverschuldet waren. Jedenfalls brachte dieser Schritt nicht die erhoffte Lösung der bestehenden Probleme – im Gegenteil.
Dem Konsum gelang es nicht, mit der Diskont-Konkurrenz Schritt zu halten. Dazu kam der Bau des 720 Millionen Schilling teuren Zentrallagers in Hirschstetten, das sich als Fehlinvestition erwies. 1989 betrug der Verlust des Konsums bereits 1,3 Milliarden Schilling. Im Jahr darauf löste Hermann Gerharter den Langzeit-Konsum-Generaldirektor Manfred Kadits ab und kündigte für 1994 wieder schwarze Zahlen an. Der geplante Verkauf des Wiener Kaufhauses Steffl geriet allerdings zum Flop, dafür gingen 60 defizitäre Coop-Läden und Inform-Parfümerien an den Konkurrenten Billa.
1993 ging der Konsum eine Kooperation mit dem Schweizer Handelsriesen Migros ein. Migros erhielt für 60 eingebrachte familia / Dogro-Märkte 25 Prozent an der neu gegründeten KGM / familia-Gesellschaft. Außerdem übernahm Migros die Hälfte der Anteile und die Unternehmensleitung der gemeinsamen Gesellschaft Konsum / Migros-Warenhandelsgesellschaft. Die Verluste konnten allerdings auch im folgenden Jahr nicht abgebaut werden. Die Konsum-Generalversammlung nahm deshalb Verhandlungen über einen Verkauf ihres 30,66-Prozent-Anteils an der BAWAG auf; verkauft werden sollten auch die Konsum-Möbelhäuser und die Gerngross-Gruppe.
1995 spitzten sich die Spannungen mit dem Schweizer Partner Migros zu. Nach dem Rückzug der Schweizer aus Österreich musste der Konsum am 31. März schließlich den Ausgleich anmelden. Der Schuldenberg erreichte die Rekordhöhe von knapp 26 Milliarden Schilling (1,89 Mrd. Euro) – bis heute die größte Wirtschaftspleite der Zweiten Republik. Hermann Gerharter wurde von Hansjörg Tengg abgelöst, der die schmerzvolle Aufgabe des "Konsum-Liquidators" übernahm. Mit Hilfe der Gläubigerbanken konnte ein drohender Konkurs abgewendet werden.
Der Verkauf der BAWAG-Anteile an die Bayerische Landesbank brachte 4,3 Milliarden Schilling ein. Rund 630 Filialen wurden unter den Konkurrenten Spar, Billa, Adeg, Löwa und Meinl aufgeteilt. Gerngross ging an den Palmers-Konzern, die Brotfabrik Ährenstolz an Ankerbrot. Dass für einige "Konsum-Pleite-Gewinnler" der Brocken zu groß war, zeigt, dass Meinl und Löwa wenig später von der Bildfläche verschwanden und auch Ankerbrot in gefährliche Turbulenzen geriet.
Im Juli 2001 wurde Hermann Gerharter, der bereits wegen fahrlässiger Krida zu einer bedingten Haftstrafe und einer Geldstrafe verurteilt worden war, wegen betrügerischer Krida zu 6 Monaten Haft und 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil wurde im Dezember 2002 vom Obersten Gerichtshof auf 15 Monate bedingt reduziert.
Literatur: Robert Blaich, Der rote Riese wankt ... 1988 – Vision, 1995 – Realität. Die Entwicklung der Konsumgenossenschaften in Österreich, 1995; Helmut Huber, Geschichte der österreichischen Konsumgenossenschaftsbewegung bis 1950, 1974; Emil J. Knotzer, Auf dem Weg in den Untergang. Die Unternehmenspolitik des "Konsum Österreich reg.Gen.m.b.H." 1978 – 1995, 2002.